
Eine Untersuchung der Personalakten im Kirchenkreis Solingen hat bisher keine Hinweise auf mögliche Missbrauchsverdachtsfälle ergeben. Ein Team aus sechs externen Fachleuten habe bisher gut 2.000 einzelne Personalakten geprüft, erklärte der Kirchenkreis. Untersucht würden die Akten aller hauptamtlich Mitarbeitenden vom Pfarrer bis zur Praktikantin in der Kita seit 1946.
Bei der Untersuchung gehe es um alle Abstufungen von grenzverletzendem Verhalten bis zum Missbrauch, hieß es. Gesucht werde etwa nach ungewöhnlich vielen Versetzungen an andere Dienstorte mit scheinbar verschleiernden Begründungen oder Beschwerdebriefen von Eltern wegen Fehlverhaltens von Jugendleitern auf Freizeiten. „Wir möchten ein klares Zeichen setzen, dass es mit einer Kultur des Wegschauens und Weghörens in unserer Kirche vorbei ist“, sagte Superintendentin Ilka Werner.
Thomas Förster, stellvertretender Superintendent und im Kirchenkreis für das Thema Prävention und Aufarbeitung verantwortlich, erklärte das Vorgehen im Fall von einschlägigen Hinweisen: Zunächst könnten weitere Quellen wie Presbyteriumsprotokolle, Briefwechsel oder Gemeindebriefe herangezogen werden. Personalakten mit Hinweisen auf Fehlverhalten würden ins rheinische Landeskirchenamt nach Düsseldorf überstellt. „Von dort werden sie unabhängigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten übergeben, die nicht nur eine strafrechtliche Einordnung vornehmen, sondern auch das Handeln der damaligen kirchlichen Institutionen bewerten sollen.“
Ziel des Aktenscreenings sei, eine Grundlage zu schaffen, „damit Betroffene sexualisierter Gewalt vielleicht nach Jahren oder Jahrzehnten doch noch von ihrem Leid erzählen können und von uns als Kirche gehört werden“, erklärt Förster. Zudem wolle man verstehen, wie die Kirche Fehler oder das Versagen von Verantwortlichen künftig besser vermeiden könne.
In den Akten könnten allerdings womöglich nicht alle Fälle sexualisierter Gewalt gefunden werden, hieß es. Darum rief Superintendentin Werner mögliche Betroffene von sexualisierter Gewalt sowie eventuelle Zeuginnen und Zeugen auf, sich zu melden. Die genaue Untersuchung solcher Fälle könne helfen, künftiges Leid zu verhindern, so Werner. Mit Schulungen für Mitarbeitende und Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt versuchen Gemeinden, Kirchenkreis und Diakonisches Werk neue Fälle zu verhindern.
Die systematische Sichtung aller Personalakten ist ein Projekt, das sich die Evangelische Kirche im Rheinland insgesamt vorgenommen hat. Auch im Kirchenkreis Wuppertal ging im November vergangenen Jahres ein Expertenteam an den Start. Untersucht werden die Akten von Pfarrpersonen und von hauptamtlichen Mitarbeitenden. Für das Pilotprojekt stellte der Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in Wuppertal zunächst 50.000 Euro zur Verfügung.