Forscher: Islamisten werben einsame junge Menschen mit Problemen
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Im Prozess um den Messeranschlag von Solingen ist der angeklagte Syrer Issa al Hassan zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Bielefeld, Solingen (epd).

Islamistische Netzwerke suchen nach Erkenntnissen des Extremismusforschers Andreas Zick neuerdings über soziale Medien gezielt „einzelne, vielleicht sich einsam fühlende und psychisch belastete junge Menschen“. „Terrorgruppen können solche Menschen gut aufspüren und verfügen über soziale Netzwerke, die viele Menschen umfassen, die anwerben, mobilisieren, predigen“, sagte der Wissenschaftler mit Blick auf den zu Ende gegangenen Prozess zum Solinger Messeranschlag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei verhielten sich die Mitglieder islamistischer Netze wie Sozialarbeiter. Der Prozess der Anwerbung könne „schleichend und scheinbar harmlos“ beginnen.

Für Radikalisierungen spielten massive Ungerechtigkeitsgefühle eine wichtige Rolle, erläuterte Zick. Daher bedienten Terrorgruppen diese Gefühle: „Sie spülen massive Opferbilder in die sozialen Netzwerke wie auch Falschinformationen.“ Ungerechtigkeitsgefühle seien aber nur ein Element, es komme darauf an, welche Bedürfnisse anfällige Personen hätten. „Leider sind Terrorgruppen sehr versiert, die Bedürfnisse, Netzwerke und auch Narrative herzustellen“, sagte der Forscher.

Der Messeranschlag von Solingen im August 2024 war nach dem am 10. September gesprochenen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf eine islamistisch motivierte Tat. Das Gericht sieht bei dem zu einer lebenslangen Haftstrafe mit Sicherungsverwahrung verurteilten Issa al Hasan eine radikalislamische Gesinnung und eine „mitgliedschaftliche Beteiligung“ in der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Der aus Syrien stammende Mann soll sich im Internet radikalisiert haben.

Zick warb dafür, Präventionsmaßnahmen hierzulande auszubauen. Es gebe zwar Netzwerke für die Prävention von Radikalisierung und Gewalt, sagte der Extremismusforscher. Leider seien diese aber nicht flächendeckend vorhanden. „Prävention beginnt aber am besten sehr früh“, unterstrich Zick. Eine frühe Bildung zu Extremismus sowie die Stärkung von Kindern sei wichtig, um mit Informationen und Gefühlen gut umgehen zu können.

Radikalisierung sei heutzutage vielschichtiger, neue Terrorformen müssten daher im Blick sein, mahnte der Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Menschen, die andere deradikalisieren wollen, benötigten selbst eine Plattform, über die sie Informationen bekommen. „Es wäre gut, wenn wir ähnlich wie bei Schul-Amoktaten ein kluges Kommunikationsnetzwerk haben.“ Dafür fehle jedoch die nötige Förderung.

epd-Gespräch: Holger Spierig