Chronische Schmerzen erschweren den Alltag
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Chronische Schmerzen erschweren den Alltag
"Aktionstag gegen den Schmerz" am 3. Juni
Münster (epd).

Sein Leiden hält schon lange an: Seit anderthalb Jahren kann Christian Berger nur schwer seinen Alltag bewältigen. „Es schmerzt in den Händen, den Knien und den Füßen“, klagt der 61-Jährige. „Ich kann kaum fünf Minuten auf einer Stelle stehen.“ Das mache es ihm derzeit unmöglich, seinen Beruf auszuüben. „Ich bin Tischler und will das weitermachen“, sagt er. Ambulante Behandlungen beim Neurologen und Schmerztherapeuten hätten bislang wenig Erfolge und keine Linderung gebracht.

Jetzt unterzieht sich Berger einer stationären „multimodalen Schmerztherapie“ in einer Spezialabteilung der Raphaelsklinik in Münster - und fühlt sich nach knapp zehn Tagen deutlich besser. Die Raphaelsklinik ist eine von bundesweit rund 130 Kliniken, Praxen, Apotheken und Pflegeeinrichtungen, die sich am 3. Juni, am bundesweiten „Aktionstag gegen den Schmerz“ beteiligen. Die Deutsche Schmerzgesellschaft will damit nach den Worten ihres Geschäftsführers Thomas Isenberg dazu beitragen, „Menschen mit chronischen Schmerzen konkrete Hilfe anzubieten - wohnortnah und niederschwellig“. Denn die Dimension von Schmerz werde oft unterschätzt.

In Deutschland leiden nach Angaben der Gesellschaft rund 23 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen, rund sechs Millionen Betroffene fühlen sich beeinträchtigt. In 2,2 Millionen Fällen könne man von einer Schmerzkrankheit sprechen, denn die Menschen seien im Alltag oder Beruf stark eingeschränkt. Aber die ambulanten Behandlungskapazitäten reichten nicht aus: Bundesweit gibt es nur rund 1.200 spezielle Schmerztherapeuten. „Bei mehr als der Hälfte der Menschen mit chronischen Schmerzen dauert es bis zu zwei Jahre, bevor sie eine wirksame Behandlung erhalten“, bedauert Isenberg. Es werde wertvolle Zeit verschenkt, in der Schmerzen noch gut behandelbar seien.

Auch Berger hatte mehrere Monate gewartet, bis er erste Termine bei einem Neurologen und später bei einem Schmerztherapeuten bekam. Das erschwert die Behandlung. Marc Theisen, leitender Arzt für Schmerztherapie an der Raphaelsklinik, erklärt: „Je länger der Schmerz eingebrannt vorhanden ist, umso schwerer ist er für uns zu lindern.“ Die ambulanten Kolleginnen und Kollegen hätten nichts falsch gemacht, sagt er, aber bei chronifizierten Schmerzen reiche es nicht, nur Tabletten zu geben.

Sein Team arbeite daher „interdisziplinär und multimodal“: Bei dem Behandlungskonzept, das stationär über 19 Tage geht, erhalten die Patientinnen und Patienten auch Medikamente, aber darüber hinaus gibt es Gespräche, Psycho-, Physio- Ergo- und Musiktherapie. Der Ablauf wird in einem individuell abgestimmten Therapieplan festgelegt.

Sabine Schlieker hat sich als Krankenpflegerin auf die Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen spezialisiert. „Man betrachtet den Menschen mit seinem Körper, seiner Seele und seinem ganzen Umfeld“, sagt die „Pain-Nurse“. Anders als beim Akutschmerz, der nach einer Operation oder einem Unfall entsteht, ist der chronifizierte Schmerz selbst die Erkrankung. Daher werden Körper, Psyche und Geist behandelt.

„Es geht sehr viel über das Verhalten der Patienten“, erklärt Mediziner Theisen. Die medizinische Trainingstherapie spiele eine wichtige Rolle. Erkrankte sollten bei der Gymnastik, beim Kraftaufbau oder den Ausdauerprogrammen mitmachen und später ihren Lebensstil anpassen, um den Schmerz besser bewältigen zu können. „Die Patienten müssen für sich selber einen Weg finden, für die Zeit danach“, sagt Theisen.

Nach den Statistiken der Raphaelsklinik hilft die interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie den Betroffenen auf diesem Weg. Bei ihrer Ankunft beschreiben die Patientinnen und Patienten ihre Schmerzstärke auf einer Skala von eins bis zehn im Schnitt mit dem Grad acht, bei der Entlassung seien mehr als 80 Prozent mindestens „gut zufrieden“ und beschrieben ihre Schmerzausprägung mit „vier“.

Berger hat gerade Bergfest und damit die Hälfte der Behandlung hinter sich. Er sieht deutliche Fortschritte und will auf jeden Fall wieder als Tischler arbeiten und seinem Hobby nachgehen - dem Hochseeangeln.

Von Michael Ruffert (epd)