Zwei Boxen stehen auf dem Bürgersteig, Tanzpaare wippen mit ihren Füßen im Salsa-Schritt: Der professionelle Tänzer Matthias Markstein bringt gut ein Dutzend Menschen in Schwung. Sein Pilates- und Tanzstudio hat er im erzgebirgischen Hartenstein, erzählt er. Aber heute ist er vor der Chemnitzer Jakobikirche aktiv, als Teil des Kulturkirchenfestes in Chemnitz.
In der europäischen Kulturhauptstadt 2025 haben evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden ein zweitägiges Festprogramm organisiert. Am Samstag und Sonntag gab es dutzende Veranstaltungen in der Innenstadt zwischen Neumarkt, Stadthalle und Karl-Marx-Monument, viele unter freiem Himmel. Am besten besucht waren die zahlreichen Konzerte und auch der Open-Air-Abschlussgottesdienst.
Kirche ist in der Diaspora. Das ist auch beim ökumenischen Kirchenfest unter dem Motto „Geht und seht“ zu spüren. In einigen Gesprächsrunden sitzen nur zwei Dutzend Menschen, doch - vielleicht gerade deshalb - wird engagiert diskutiert. Andere Angebote sind mit gut 200 Menschen besucht, ein Chorkonzert auf dem Neumarkt zog am Samstag sogar mehrere tausend Begeisterte an. Rund 1.500 Sängerinnen und Sänger aus fast 70 Chören der Region und aus Tschechien sowie die sächsische Elblandphilharmonie gestalteten ein Programm, bei dem zum Teil mitgesungen werden konnte.
Die sächsischen Bischöfe loben das Engagement der Kirchen. Der Bischof des katholischen Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, findet, dass die gemeinsamen Aktivitäten der Kulturkirche Chemnitz 2025 die Konfessionen stärker zusammengebracht haben. „Da ist Ökumene gewachsen“, sagte er. Allein dafür hätten sich die Anstrengungen gelohnt.
Auch Sachsens evangelischer Landesbischof, Tobias Bilz, zeigt sich zufrieden: Das Kulturkirchenfest sei ein mutmachendes Beispiel dafür, dass Christinnen und Christen sich mit ihren Themen zeigen. Es sei wichtig, sichtbar zu sein und in öffentliche Räume zu gehen, sagt Bilz. Dabei habe Kunst und Kultur für den Glauben und die Art, wie über Glauben gesprochen werde, große Bedeutung.
Zu Gast beim Fest war auch der Erzbischof des italienischen Bistums Gorizia, Carlo Roberto Maria Redaelli. Die slowenisch-italienische Stadt Nova Gorica/Gorizia ist wie Chemnitz 2025 Europas Kulturhauptstadt. Redaelli sieht in den Aktivitäten und Programmen die Chance, Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen. „Mögen diese Beziehungen uns helfen, in Verständnis und Einmütigkeit zu wachsen“, sagt Redaelli. Er wünscht sich, dass von den Kulturhauptstädten ein „wichtiges Zeichen der Hoffnung für dieses Europa“ ausgeht.
Auch der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) lobt den Einsatz der Gläubigen: „Die Kirche ist nicht nur ein Ort der Andacht, sondern auch ein lebendiger Kulturträger.“ Glaube und Gemeinschaft eröffneten neue Perspektiven.
Beim Kirchenfest gab es zahlreiche Gelegenheiten zu Gesprächen und zum Austausch. Darüber hinaus hatte das zweitägige Programm auch ganz stille Momente: In der Jakobikirche lud Pfarrerin Cornelia Henze zur Meditation ein. Wer wollte, konnte sich segnen lassen. Etliche Menschen nutzten diesen ganz persönlichen Moment. „Du bist gesegnet“ - diese Worte sprach Henze ihnen ganz bewusst zu. Dabei legte sie ihre Hände auf die Schultern der Gäste.
Mit ihrem Engagement wollen Kirchen Menschen sichtbar machen und Verborgenes ans Licht holen. Damit betonen sie ganz das Motto der europäischen Kulturhauptstadt „C the Unseen“. Noch bis Ende November holen Organisatoren und Initiativen in Chemnitz und der Erzgebirgsregion Unsichtbares hervor. Das Kirchenfest ging am Sonntag mit einem Open-Air-Gottesdienst auf dem gut gefüllten Neumarkt zu Ende. Weitere Höhepunkte werden folgen: So erlebt am 20. September das Bühnenwerk „Rummelplatz“ nach einem Roman von Werner Bräunig seine Uraufführung.