Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Regelung aus Sachsen-Anhalt zur Verpflichtung von Lehrkräften zu sogenannten Vorgriffsstunden für unwirksam erklärt. Zur Begründung hieß es am Donnerstag, die entsprechende Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen sei vom Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalts nicht gedeckt. „Es fehlt hier an einer aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen und hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung“, sagte der Vorsitzende Richter Markus Kenntner (BVerwG 2 CN 1.24 und BVerwG 2 CN 2.24).
Zwar sei die Landesregierung von Sachsen-Anhalt dazu befugt, näheres über die Arbeitszeit der Beamten und insbesondere die Verteilung der Arbeitszeit zu regeln. Die Verordnung über die Verpflichtung zu Vorgriffsstunden gehe „aber insbesondere mit der eingeräumten Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung der geleisteten Vorgriffsstunden über diese Ermächtigung hinaus und ist deshalb unwirksam“, fügte Kenntner hinzu.
Die sogenannte Vorgriffsstunde muss seit April 2023 in Sachsen-Anhalt von Lehrkräften als zusätzliche wöchentliche Unterrichtsstunde geleistet werden, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Die Stunde wird einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und kann später durch Freizeit und Arbeitsverringerung ausgeglichen werden. Auch eine finanzielle Abgeltung ist möglich.
Geklagt hatten eine verbeamtete Lehrerin und ein angestellter Lehrer im Rahmen von zwei Normenkontrollanträgen. Das sachsen-anhaltische Oberverwaltungsgericht hatte im März 2024 in zwei Urteilen die Landesregelung zunächst für rechtmäßig erklärt und die Anträge abgelehnt. Dagegen waren die beiden Lehrkäfte in Revision gegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte die Regelung nun auch inhaltlich als rechtswidrig, weil nur ein Ausgleich tatsächlich erteilter Vorgriffsstunden vorgesehen sei. Da die Vorgriffsstunde „echte“ Dienstzeit ist, müsse auch krankheitsbedingt ausgefallener Dienst berücksichtigt und dem Ausgleichskonto gutgeschrieben oder ausgezahlt werden, sagte der Vorsitzende Richter. Zudem sei an der Regelung auch ein Problem, dass Teilzeitbeschäftigte fünf Jahre lang dazu verpflichtet werden, eine volle Vorgriffsstunde zu leisten und nicht nur anteilig.
In der Verhandlung am Donnerstag hatte der Vorsitzende Richter zunächst noch angedeutet, das Verfahren möglicherweise dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorzulegen. In der Schlussberatung verständigten sich die fünf Bundesrichter indessen darauf, die beiden Verfahren selbst abschließend entscheiden zu können.