Beleidigungen als „Judenschwein“ und „Kindermörder“, verbrannte Bücher an einem Gedenkort für die NS-Bücherverbrennung, Morddrohungen: Antisemitische Vorfälle haben in Brandenburg im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Der aktuelle Monitoringbericht der Fachstelle Antisemitismus für 2024 dokumentiere einen Anstieg um mehr als 28 Prozent auf insgesamt 484 Fälle, hieß es bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in Potsdam. Antisemitismus sei zugleich zunehmend offensiv sichtbar, auf Straßen, in Gedenkstätten, in Bildungseinrichtungen und selbst im Wohnumfeld Betroffener.
Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, die Trägerin der Fachstelle ist, sagte, das Dunkelfeld sei nach wie vor groß, auch wenn es inzwischen besser habe erhellt werden können. Alle eingehenden Meldungen würden genau geprüft. Bedrohungen im privaten Umfeld hätten in Brandenburg eine neue Qualität erreicht und seien eine zunehmende Gefahr, betonte er. Dazu gehörten auch Markierungen von Häusern und Wohnungstüren, mit denen Menschen als Jude oder Israeli kenntlich gemacht werden sollen.
Brandenburgs Antisemitismusbeauftragter Andreas Büttner betonte, Antisemitismus sei ein „Angriff auf die Menschlichkeit“. Es sei eine Pflicht, „diesen Angriff zurückzuschlagen, mit Haltung, mit Aufklärung, mit politischer Konsequenz“. Die Hemmschwellen seien gesunken, sagte er. Dem müsse entschieden entgegengewirkt werden.
Hizarci sagte, 213 der erfassten Fälle hätten einen rechtsextremen Hintergrund, 94 seien dem antiisraelischen Aktivismus zuzurechnen, 30 dem verschwörungsideologischen und 18 dem islamischen oder islamistischen Milieu. Sechs Fälle seien als links oder linksextrem eingestuft worden, 123 hätten nicht eindeutig zugeordnet werden können. Die Zahl rechtsextremer Fälle sei gegenüber dem Vorjahr um rund 60 Prozent gestiegen. Dies spiegle auch die zunehmende Sichtbarkeit der Szene wider.
Hizarci sagte, Schwerpunkt sei mit 77 Fällen der Landkreis Oberhavel mit den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück. Dort sei eine Art „toxisches Reaktionsmuster“ antisemitischer Antworten auf das Gedenken zu erkennen. Es werde zu einer dauerhaften Aufgabe, die Gedenkstätten davor zu schützen.
Zu den im Bericht explizit benannten Fällen gehört unter anderem eine Schmiererei mit den Worten „good old times“ an der Gedenkstätte Sachsenhausen. Bei einem anderen Vorfall in Wittstock hat der Dokumentation zufolge jemand seinen Nachbarn wegen in den eigenen Garten überragender Äste mit den Worten „Ihr gehört alle in die Gaskammer“ beleidigt.
Hizarci sagte, unter den erfassten Fällen seien 13 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen und 389 Fälle verletzenden Verhaltens wie Beleidigungen. 249 der Vorfälle hätten sich im öffentlichen Raum ereignet. 66 Fälle seien in Bildungseinrichtungen, 63 an Erinnerungsorten und in Gedenkstätten, 40 im Wohnumfeld Betroffener registriert worden.
Der Bericht dokumentiert den Angaben zufolge sowohl von der Polizei erfasste antisemitische Straftaten als auch weitere Fälle, darunter Hinweise von Betroffenen sowie Meldungen unter anderem aus Schulen, Gedenkstätten und Universitäten.