Berlin: Fast 70 Prozent mehr antimuslimische Übergriffe
Berlin (epd).

In Berlin sind im vergangenen Jahr 644 antimuslimische Übergriffe dokumentiert worden. Das sei ein Anstieg um fast 70 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023, erklärte die Co-Geschäftsführerin der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Claim), Rima Hanano, bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2024 am Mittwoch in Berlin. Unter den Vorfällen befänden sich 285 Diskriminierungen, knapp 250 verbale Angriffe und mehr als 50 Körperverletzungen.

In knapp zwei Dritteln der Fälle seien Frauen das Ziel gewesen, häufig auch in Begleitung ihrer Kinder. Insbesondere Frauen, die sichtbar religiöse Kleidung tragen, seien betroffen gewesen. Auffällig sei zudem, dass sich die meisten Vorfälle (35 Prozent) im Bildungsbereich ereignet haben. Die Allianz beobachte, dass sich auch vermehrt Lehrkräfte rassistisch äußerten. Auch im öffentlichen Raum (20 Prozent) und der Arbeitswelt (elf Prozent) kam es zu überdurchschnittlich vielen Übergriffen. Solche Vorfälle würden eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Zusammenleben für Muslime verhindern oder erschweren.

Die meisten Vorfälle (56) haben sich demnach im Januar 2024 ereignet. Ein Anstieg von antimuslimischen Übergriffen sei zudem nach Anschlägen wie auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 zu beobachten. Durch danach folgende politische und mediale Debatten fühlten sich Menschen „ermutigt, andere Menschen anzugreifen oder zu diskriminieren“, sagte Hanano.

Generell sei ein Anstieg der Fallzahlen seit Oktober 2023 zu beobachten. Dieser falle zeitlich mit dem Terrorangriff der Hamaus auf Israel zusammen. Im Jahr 2023 habe bis Oktober der Höchstwert in einem Monat bei 29 Vorfällen gelegen, seitdem gab es nur zwei Monate, in denen der Wert niedriger war.

Die Allianz forderte mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung antimuslimischer Übergriffe. Neben einer besseren Erfassung von antimuslimischem Rassismus müssten Beratungsstellen dauerhaft finanziert werden. Auch solle ein Rechtshilfefonds eingerichtet werden, damit sich Betroffene besser wehren könnten. Außerdem solle der 1. Juli zum Tag gegen antimuslimischen Rassismus deklariert werden. Am 1. Juli 2009 war Marwa El-Sherbini aus antimuslimischen Motiven im Landgericht Dresden ermordet worden.

Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) betonte, man stehe den Betroffenen solidarisch zur Seite: „Wir müssen antimuslimischen Rassismus sichtbar machen und dürfen ihn nicht verschweigen. Denn nur so können wir ihn erfolgreich bekämpfen und uns vor ihm schützen.“

Die Zahlen seien unter anderem von sechs Melde- und Beratungsstellen, parlamentarischen Anfragen, der Statistik über politisch motivierte Kriminalität und Pressemeldungen der Polizei zusammengetragen worden. Trotzdem gehe die Allianz von einer hohen Dunkelziffer aus. Kommende Woche will sie die bundesweiten Fallzahlen vorstellen.

Claim vereint und vernetzt nach eigenen Angaben mehr als 50 muslimische und nichtmuslimische Akteure der Zivilgesellschaft. Die Allianz werde unter anderem vom Bund gefördert. Mit ihrem Projekt „Report! Berlin“ dokumentiert sie antimuslimische Diskriminierungen und Übergriffe im Land Berlin.