Die öffentlichen Gelder wurden gestrichen, die Ausbildung läuft trotzdem weiter: Das Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam will auch in diesem Jahr wieder jüdische Geistliche ordinieren. Die Ordinationsfeier für zwei neue Rabbinerinnen sei am 6. November in Berlin geplant, sagte ein Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bislang seien am Kolleg 55 Studierende ausgebildet und ordiniert worden, darunter 37 Rabbinerinnen und Rabbiner sowie 18 Kantorinnen und Kantoren. Die erste akademische Rabbiner-Ausbildungsstätte in Deutschland nach der Schoah gehört zur liberalen Strömung des Judentums.
Anfang 2023 hatte die Berliner jüdische Gemeinde die Trägerschaft für das Kolleg übernommen, nachdem Vorwürfe unter anderem des Machtmissbrauchs gegen die vorherige Leitung erhoben worden waren. Die öffentliche Förderung wurde 2024 eingestellt, weil die Mittelgeber Zweifel an der Eignung der Gemeinde als Trägerin hatten. Ein Eilantrag auf weitere Zahlung der Bundesmittel war danach gescheitert, weil das zuständige Verwaltungsgericht Köln keine akute Existenzgefährdung sah. (AZ: 16 L 1791/24)
Der Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sagte dem epd, der Umgang der Zuwendungsgeber mit dem Abraham-Geiger-Kolleg werde vom Träger weiter als rechtswidrig angesehen. Seit 2009 sei auf Beschluss des Bundestags eine auf Langfristigkeit angelegte institutionelle Förderung gewährt worden. Es sei deshalb ein höchst außergewöhnlicher Vorgang, dass das Kolleg mehr oder weniger unangekündigt seit 2024 keine Bundesmittel mehr erhalten habe. Auch für 2025 seien laut Haushaltsentwurf des Bundestags keine Gelder vorgesehen.
Der Linken-Politiker und Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow hatte sich deshalb Mitte August mit einem Schreiben direkt an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gewandt. Es habe bislang keinen „rechtsmittelfähigen Bescheid zur Aufhebung der institutionellen Förderung gegeben“, betont er dort. Das Weiterbestehen des Abraham-Geiger-Kollegs dürfe nicht dadurch belastet und die Ausbildung dort nicht weiter erschwert werden, „indem die Bundesmittel einfach gestrichen werden“. Der Bundeshaushalt 2025 soll am 18. September beschlossen werden.
Der Zentralrat der Juden hat inzwischen eine eigene Stiftung gegründet, die Nathan-Peter-Levinson-Stiftung, die nun ebenfalls an der Universität Potsdam liberale und konservative jüdische Geistliche ausbildet. Vorstand Dimitrij Belkin sagte dem epd, die ersten Absolventen würden voraussichtlich 2027 ordiniert. Im Sommersemester seien 16 Studierende eingeschrieben gewesen, im Wintersemester würden es etwa 20 sein.
Belkin sagte, der Zentralrat der Juden fördere die Stiftung jährlich mit 535.000 Euro aus für die liberale Rabbiner- und Kantorenausbildung vorgesehenen Mitteln. Künftig sollen auch Fördermittel beim Bundesinnenministerium, der Kultusministerkonferenz und dem Land Brandenburg beantragt werden.
Am Abraham-Geiger-Kolleg waren nach Angaben des Berliner Gemeindesprechers im Sommersemester 13 Studierende eingeschrieben. Im Wintersemester seien es bislang 15, über drei Bewerbungen müsse noch entschieden werden.