Wo der Biber baut: Auen für die Schwamm-Landschaft der Zukunft
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Ein ausgestopfter Biber im Umweltbildungszentrum in Bleckede, Landkreis Lüneburg
Wie ein hessisches Dorf eine Lösung für den Biber-Konflikt fand

Biber bauen Dämme in Flüssen, dann staut sich das Wasser. Ärger droht, wenn sie dabei Äcker unter Wasser setzen. Aber es gibt Lösungen für ein Zusammenleben von Mensch und Tier.

Hungen-Obbornhofen, Bonn (epd). Hinter den Feldern steht eine Reihe abgestorbener Bäume, die kahlen Äste ragen in den Himmel. Aber sie sind nicht vertrocknet, sondern im Gegenteil: abgesoffen. „Da sieht man es schon“, ruft Sebastian Weller, „da ist der Biber aktiv.“ Weller ist Biber-Manager des Regierungspräsidiums in Gießen. Der Behördenmitarbeiter ist vor allem gefragt, wenn Biber Probleme bereiten.

Ein Auto kommt vorbei, am Steuer sitzt der örtliche Landwirt. Der Bauer lässt die Scheibe herunter und unterhält sich kurz mit Weller. Im Kofferraum bellt sein Hund. Später erzählt Weller, dass der Landwirt von Anfang an befürwortet habe, dass der Biber in diesem Gebiet bleiben könne.

Rapsfeld komplett unter Wasser

Als sich das Tier vor fünf Jahren nahe dem kleinen Ort Obbornhofen in der hessischen Wetterau, nördlich von Frankfurt, ansiedelte, drohte zunächst Ärger. An einem Bach baute der Biber eine Burg und Dämme. Nach nur zwei bis drei Wochen stand ein blühendes Rapsfeld komplett unter Wasser.

Ein Rohr sollte das Wasser ableiten, das machte aber alles noch schlimmer: „Das hat dem Biber nicht gefallen“, erzählt Weller. Das Tier arbeitete sich daraufhin entlang des Flusses weiter in Richtung Dorf vor, errichtete dort seine Dämme. „Es gab die Sorge, dass es zu Schäden an Gebäuden kommt.“ Auch das Getreidelager des Bauern geriet in Gefahr.

Gut für den Naturschutz

Weller nimmt ein Stöckchen in die Hand; der glatte Schnitt zeigt, wie der Biber Bäume zerlegt. Die Tiere seien „sehr schlau, sehr emsig“ und könnten in einer Nacht Dämme von einem Meter Höhe auftürmen. Dann staut sich das Wasser. „Der Biber baut in begradigte Gewässer einen kurvigen Verlauf. Er sorgt dafür, dass das Wasser in die Fläche geht“, erklärt der gelernte Forstwirt.

Für den Naturschutz ist das gut. Viele Jahre lang wurden in Deutschland Flüsse begradigt. „Man wollte das Wasser schnell wegbekommen. Inzwischen weiß man, dass es der falsche Weg war.“ Denn mit dem Klimawandel nehmen Trockenheit und Starkregen zu. Weil der ausgetrocknete Boden oft gar nicht so viel Wasser aufnehmen kann, drohen dann Überschwemmungen.

Erste Berichte über „Problembiber“

Deshalb gibt es die Idee der „Schwamm-Landschaft“, die bei starkem Regen das Wasser in den Auen quasi aufsaugt und hinterher langsam wieder abgibt - wie ein Schwamm. Dabei könnten Biber helfen, erklärt Kathrin Hof vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn. „Die Bauwerke der Biber übernehmen Funktionen, die andernfalls unter hohem technischem Aufwand von Menschen umgesetzt werden müssten.“ Den Gemeinden könne das Millionen Euro sparen.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren Biber in Deutschland fast ausgerottet. Durch Auswilderung und strengen Schutz kommen sie mittlerweile wieder in allen Bundesländern vor. Schätzungen zufolge leben in Deutschland rund 40.000 Tiere, davon allein 25.000 in Bayern. In den Medien tauchen bereits Berichte über „Problembiber“ auf, die ganze Landschaften unter Wasser setzen. Obwohl streng geschützt, kam es 2023 in Bayern zu mehr als 2.600 „Entnahmen“, also Tötungen von Bibern. Dafür braucht es eine Ausnahmegenehmigung.

Einige Naturschützer meinen, dass sich der Bestand selbst reguliert. Denn Biberfamilien dulden in ihren Revieren keine weiteren Artgenossen. „Der größte Feind der Biber sind die Biber selbst“, schreiben Bettina und Christian Kutschenreiter in ihrem Buch „Gestatten: Biber“. Das Ehepaar beobachtet seit 20 Jahren eine wild lebende Biberfamilie. Ein Drittel der Jungtiere sterbe bereits im ersten Lebensjahr, ein weiteres Drittel, wenn sich die Pflanzenfresser im Alter von zwei Jahren ein eigenes Revier suchen müssten.

Lösungen für Konflikte zwischen Bibern und Bauern

Und es gibt Lösungen für die Konflikte zwischen Bibern und Anwohnern oder Bauern. Probleme entstünden meistens „in weniger als zehn Metern von Wasser entfernt“, weshalb Randstreifen an Ufern helfen könnten, verdeutlicht Kathrin Hof. Mehrere Bundesländer haben ein Biber-Management eingerichtet.

In Obbornhofen gelang über die Hessische Landgesellschaft, einen Dienstleister des Landes für Flächenmanagement, ein Flächentausch: Der Eigentümer des Bibergebiets erhielt in der Nähe ein ungefähr gleichwertiges und gleich großes Stück Land. Das Entwässerungsrohr wurde entfernt, das ehemalige Rapsfeld ist nun Überschwemmungsfläche. Und der Biber hat sich wieder in den unteren Teil des Baches zurückgezogen, fernab des Dorfes.

Über stillgelegte Bahnschienen läuft Sebastian Weller durch das Biber-Revier. Links und rechts breiten sich Tümpel aus, hinten an der Baumreihe liegt ein Gewusel aus Ästen: Das ist die Biberburg, die jetzt ungestört bleiben kann.

Bundesamt für Naturschutz/Biber: http://u.epd.de/3j3v

Regierungspräsidium Gießen, Bibermanagement: http://u.epd.de/3i8q

Hessische Landgesellschaft: https://www.hlg.org/

Von Stefanie Walter (epd)