Fenster zur Urzeit: Grube Messel ist seit 30 Jahren Weltnaturerbe
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Grube Messel

1.409 verschiedene Gruppen von Lebewesen, rund 47 Millionen Jahre alt, haben Forschende bislang in der Grube Messel gefunden. Sie wären großteils für immer verschwunden, wenn die Politik sich mit dem Plan einer Mülldeponie durchgesetzt hätte.

Frankfurt a.M., Messel (epd). Mit einem Krokodil fing in der Grube Messel alles an: Das Skelett der Panzerechse war das erste Fossil, das vor 150 Jahren in der südhessischen Fundstätte geborgen wurde. Der 150. Jahrestag ist nicht der einzige runde Jahrestag, den die Grube Messel in diesem Jahr begeht: Seit 50 Jahren wird dort wissenschaftlich nach Fossilien gegraben und - am wichtigsten - seit 30 Jahren ist die Grube Weltnaturerbe der Unesco.

In Deutschland war die zwischen Frankfurt und Darmstadt gelegene Grube das erste Weltnaturerbe; weltweit wurde sie als dritte Stätte in die Unesco-Liste aufgenommen. Sie gilt als „Pompeji Hessens“, als Fenster zur Urzeit, das einen Blick ins Eozän vor 47 Millionen Jahren erlaubt. Dieses nach der griechischen Göttin der Morgenröte, Eos, benannte Erdzeitalter begann vor rund 56 bis 58 Millionen Jahren und dauerte gut 22 Millionen Jahre.

Fossilien dank Ölförderung entdeckt

Der feinkörnige Ölschiefer am Grunde des Messeler Maarsees, der vor Jahrmillionen nach einem Vulkanausbruch entstand, konservierte Fossilien hervorragend. Dass viele von ihnen wieder zutage traten, lag paradoxerweise an einer Zerstörung: Seit dem 19. Jahrhundert wurde in Messel in industriellem Maßstab Ölschiefer gefördert, um daraus Rohöl zu gewinnen. Bis in die 1970er Jahre diente die Grube mit 800 Metern Durchmesser und 130 Metern Tiefe als Ölschiefer-Tagebau.

Um Haaresbreite wäre sie anschließend eine Mülldeponie geworden. Doch hartnäckiger Protest von Bürgerinnen und Bürgern verhinderte das. Ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes stoppte das Vorhaben Ende der 1980er Jahre. Es folgte in den 90ern ein politisches Umdenken, das mit dem Antrag auf Aufnahme in die Welterbeliste und der Unesco-Urkunde am 8. Dezember 1995 ihr Happy End fand.

Forscher: Ein Urzeitparadies

Krister Smith leitet beim Senckenberg Forschungsinstitut und Naturkundemuseum die Abteilung Messelforschung und Mammalogie (Säugetierforschung). Er nennt Messel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) einerseits „ein Urzeitparadies“. Und erläutert andererseits, dass dort vor 47 Millionen Jahren „Umweltbedingungen herrschten, auf die wir rapide zusteuern. Damals gab es viel CO2 in der Luft, viel mehr als heute.“ Der Wissenschaftler spricht von einem „Ökosystem unter Treibhaus-Klimabedingungen“ und fügt hinzu: „Wenn wir also wissen wollen, wie ein Ökosystem funktioniert unter solchen Bedingungen, dann ist Messel vielleicht unsere beste Möglichkeit.“

Zudem biete Messel ausgezeichnet erhaltene einzelne Fossilien, erklärt der Forscher. Das bestätigt auch die Deutsche Unesco-Kommission: „Die Fossilienfundstätte Messel gilt als die beste Einzelstätte, die zum Verständnis des Eozäns beiträgt, als sich Säugetiere in allen wichtigen Landökosystemen fest etablierten“, teilt ein Sprecher der Kommission mit.

Fossilien mit Schuppen, Haaren und Mageninhalt

Entdeckt wurden nach Darstellung von Senckenberg-Forscher Smith nicht nur einzelne Knochen, sondern ganze Skelette und auch Weichteile: „Da können wir das Gefieder oder die Beschuppung, die Behaarung von den Landwirbeltieren beobachten. Wir können Mageninhalt untersuchen.“ Außer Wirbeltieren seien in der Grube auch viele Pflanzen, Insekten sowie andere Wirbellose und sogar Pilze entdeckt worden. „Das gibt uns dann einen Einblick in das gesamte Ökosystem“, erklärt Smith.

1.409 verschiedene Gruppen von Lebewesen haben Forschende in der Grube Messel entdeckt - diese Bilanz veröffentlichte die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Anfang dieses Jahres: alleine 72 Vogeltypen, 51 unterschiedliche Säugetiere und 813 verschiedene Grünpflanzen. Die meisten von ihnen entdeckten die Grabungsteams Smith zufolge seit Beginn der systematischen wissenschaftlichen Ausgrabungen im Jahr 1975.

Primat „Ida“ war wissenschaftliche Sensation

Bekannt wurde die Grube Messel jedoch vor allem für Säugetier-Fossilien - schließlich ist das Eozän das Zeitalter nach dem Aussterben der Dinosaurier, in dem die Säugetiere sich entwickelten. Als Maskottchen fungiert das Messeler Urpferdchen. Von dem foxterriergroßen Tier wurden insgesamt Dutzende Exemplare geborgen. Eines war ein zum Todeszeitpunkt trächtiges Weibchen. Eine wissenschaftliche Sensation war der Fund des Affen-Jungtiers „Ida“, dem weltweit vollständigsten Primatenfossil.

Krister Smith ist im dreifachen Jubiläumsjahr voller Tatendrang: Häufige Arten habe man in Messel schon oft geborgen. „Aber wir sind noch dabei, die seltenen Arten zu finden.“ Zudem wollen die Forschenden „das Ökosystem in seiner Gesamtheit“ verstehen: „Nicht nur, wie viele Arten es gegeben hat, sondern wie sie miteinander verbunden waren, wie das Ökosystem funktionierte, wie das Nahrungsnetz aussah.“ Und die damaligen „Treibhaus-Klimabedingungen“ bezeichnet der Messelforscher als „super interessantes Forschungsfeld mit hoher gesellschaftlicher Relevanz“.

Informationen über das Jubiläumsjahr 2025: http://u.epd.de/3me2

Senckenberg-Pressemitteilung vom 13. Januar 2025 zu den in der Grube Messel geborgenen Lebewesen: http://u.epd.de/3me3

Webseite der Grube Messel: http://u.epd.de/3me4

Informationen der Grube Messel über „Ida“ (als pdf): http://u.epd.de/3mfl

Informationen der deutschen Unesco-Kommission zur Grube Messel: http://u.epd.de/3me5

Informationen über die Grube Messel im Internetangebot des Hessischen Landesmuseums Darmstadt: http://u.epd.de/3meb und http://u.epd.de/3mec

Von Susanne Rochholz (epd)