Lauterbach sieht riesige Herausforderungen für Gesundheitssystem

Vier Tage lang beraten die Vertreter der deutschen Ärzteschaft in Mainz die Probleme des Gesundheitswesens und ihres Berufsstandes. Zur Eröffnung schwor Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Anwesenden auf radikale Reformen ein.

Mainz (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat auf dem Deutschen Ärztetag für eine „Zeitenwende“ im Gesundheitswesen geworben. Aufgrund jahrelang verschleppter Reformen sei die Gesundheitsversorgung inzwischen durch erhebliche Fehlentwicklungen bedroht, sagte er am 7. Mai bei der Eröffnung des 128. Deutschen Ärztetags in der Mainzer Rheingoldhalle. In den kommenden Jahren würden dem Land 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Dauerhaft immer mehr Ärzte aus anderen Staaten abzuwerben, statt selbst in deren Ausbildung zu investieren, sei aber kein Ausweg: „Das ist nicht ethisch und kann so nicht weitergehen.“

Lauterbach versprach den anwesenden Vertretern der Bundesärztekammer eine Reform der Zulassungsregeln und einen Ausbau der Studienplätze. Um den Beruf attraktiver zu gestalten, warb er zudem für eine Entbürokratisierung der Medizin. „Wir haben im Gesundheitssystem eine Kultur des Misstrauens aufgebaut“, sagte der Minister. So sei es nicht richtig, dass jeder einzelne Krankenhausfall auf eine Fehlbelegung überprüft werde.

Der Gesundheitsversorgung Deutschlands stellte Lauterbach ein schlechtes Zeugnis aus: Bei der Lebenserwartung hinke das Land inzwischen anderen europäischen Staaten hinterher. Zwischen dem Gesundheitszustand armer und reicher Menschen gebe es inakzeptabel große Unterschiede. In vielen Krankenhäusern fänden aus ökonomischen Zwängen eigentlich vermeidbare Behandlungen statt. Bei der medizinischen Forschung sei Deutschland abgehängt, bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors ein „Entwicklungsland“. Eine Reihe radikaler Reformen sei daher unabdingbar. Insgesamt 15 Gesetze habe sein Ministerium daher allein auf Bundesebene angestoßen.

Mit manchen Vorschlägen, etwa der Idee, „Hybridärzte“ sollten künftig die Trennung zwischen niedergelassenem und klinischem Bereich aufweichen, sorgte der Minister für Unmut im Saal. Bereits vor der Rheingoldhalle hatten Beschäftigte gegen die Missstände im Gesundheitswesen demonstriert. Das Angebot, zu ihnen zu sprechen, hätten die Demonstranten abgelehnt, bedauerte Lauterbach.

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, forderte einen „Gesundheitsgipfel“ im Bundeskanzleramt. Er warnte vor einer weiteren Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Auf Gewinnmaximierung ausgerichtete medizinische Versorgungszentren schadeten dem gesamten System. Profitgier dürfe niemals über dem Patientenwohl stehen. Der Ärztepräsident regte an, die Berufstätigkeit von Medizinern im Ruhestandsalter stärker zu fördern. Viele Kolleginnen und Kollegen seien dazu bereit, es müsse aber entsprechende steuerliche Anreize geben.

Viele Mediziner litten zunehmend unter dem Missverhältnis zwischen dem Wunsch, sich den Patienten zuwenden zu können, und der auf technische Verfahren fixierten Arbeit, sagte Reinhardt: „Sie wollen Zeit für Zuwendung statt Medizin im Minutentakt.“ Er forderte, die Bevölkerung besser über Gesundheitsthemen zu informieren. Gesundheitsbildung müsse endlich Teil der Schullehrpläne werden.

Beim Deutschen Ärztetag beraten Vertreter der Ärzteschaft aus ganz Deutschland noch bis 10. Mai. Nach Veranstalterangaben haben sich rund 1.000 Teilnehmer angemeldet, darunter sind 250 stimmberechtigte Abgeordnete der Ärzteschaft. Auf der Tagesordnung des Treffens stand auch die Verabschiedung einer Resolution gegen Intoleranz, Hass und Antisemitismus.

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