Mainzer Dommuseum: "Es war wie Ali Babas Wunderhöhle"
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Der Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums, Winfried Wilhelmy (Foto von ca. 2013)
Der Mainzer Museumsdirektor Winfried Wilhelmy geht in den Ruhestand

Mehr als 30 Jahre lang hat der Kunsthistoriker Winfried Wilhelmy für das Mainzer Dom- und Diözesanmuseum gearbeitet, davon 14 Jahre als Direktor. Mit seinem Wechsel in den Ruhestand endet eine Ära, in der sich das Haus grundlegend verändert hat.

Mainz (epd). In das Büro von Winfried Wilhelmy im ersten Obergeschoss fallen die vielleicht letzten warmen Sonnenstrahlen des Herbstes. Die Bilder hat er bereits von den Wänden abgehängt, aber Hunderte Bücher müssen noch verpackt werden. Praktisch bis zum letzten Arbeitstag hat der langjährige Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums mit Hochdruck gearbeitet: Sein Haus feiert 2025 das 100-jährige Bestehen mit zahlreichen Sonderausstellungen. „Mein Akku ist komplett leer“, räumt der Kunsthistoriker ein, der zum Monatsende in den Ruhestand wechselt. „Ich bin erschöpft, im positiven Sinne.“

Wilhelmys Reich liegt in direkter Nachbarschaft zum Mainzer Kaiserdom, aber doch etwas versteckt in dessen Schatten. Mehr als 15.000 teils einzigartige Objekte verwahrt das Museum - von wertvollen frühmittelalterlichen Handschriften über kostbar verzierte Kirchenutensilien bis hin zu Kunstwerken aus dem gesamten Bistumsgebiet, die Kirchengemeinden aus konservatorischen Gründen im Laufe der Zeit in Mainz abgegeben haben.

Ganz zufällig vergessene Schätze entdeckt

Als der heute 63-Jährige im Jahr 1991 die Arbeit aufnahm, war nur ein Bruchteil davon überhaupt inventarisiert. „Es war wie Ali Babas Wunderhöhle“, erinnert er sich. Regelmäßig hätten seine Kollegen und er beim Öffnen von Schubladen und Schränken ganz zufällig vergessene Schätze entdeckt. So sei es beispielsweise beim „Mainzer Weltgericht“ gewesen, einer teilweise verschollenen steinernen Skulpturengruppe aus dem 13. Jahrhundert. Der komplette Kopf der Maria habe jahrelang irgendwo im Museum herumgelegen. „Wenn man so etwas findet, ist das wie Weihnachten und Ostern zusammen“, sagt der Museumschef.

Einen Vorwurf will Wilhelmy seinen Amtsvorgängern nicht machen. Das Durcheinander in den Magazinen habe viel mit der Ausnahmesituation nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun, gibt er zu bedenken. Kirchliche und städtische Denkmalpfleger hätten in der ausgebombten Stadt aus den Trümmern geborgen, was zu retten war. Noch immer erhalte das Museum von Privatleuten Funde, die deren Großeltern einst an sich genommen hatten.

Lachen im Mittelalter

In seinem Abschiedsjahr konnte Wilhelmy einen Teil dieser verschütteten und wiederentdeckten Objekte in einer Sonderschau zeigen. 80 Jahre nach der kompletten Zerstörung von Mainz durch alliierte Bombenangriffe verschaffte das Museum seinen Gästen einen Eindruck davon, was alles im Feuer des Krieges zerstört worden war. Auch zu anderen Themen bot das Dom- und Diözesanmuseum immer wieder spektakuläre Ausstellungen, etwa zum Lachen im Mittelalter oder zum Lebensalltag der Menschen am Rhein in der Ära der Reformation. Die Dauerausstellung wurde ebenfalls neu konzipiert.

Obwohl die Schätze des Mainzer Bistums im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Besatzern geplündert oder später vom letzten Mainzer Kurfürsten nach dessen Flucht vor den französischen Revolutionstruppen teils eingeschmolzen worden waren, habe sein Haus noch immer spektakuläre Bestände, sagt Wilhelmy. Klar sei aber auch, dass es im 21. Jahrhundert nicht mehr ausreiche, als Museum Objekte aufzustellen: „Sie müssen Events anbieten.“ Mit Aktionen wie Taschenlampenführungen oder den kunsthistorischen Vorträgen bei Kaffee und Kuchen („Kunst und Kreppel“) bleibt das Haus im Gespräch.

Sehnsucht nach etwas Heiligem bleibt bestehen

Obwohl das religiöse Grundwissen mittlerweile bei der Mehrzahl der Menschen fehle, sei ihm „nicht bange“ um die Zukunft, versichert der scheidende Direktor. Die Sehnsucht nach etwas Heiligem bleibe bestehen, und die Aura der Exponate wirke weiter. Diese Erfahrung mache er bis heute bei jeder seiner „Reliquienführungen“. Dann zeigt Wilhelmy seinen Gästen eine kunstvolle Büste, deren obere Kopfhälfte sich öffnen ließ, um darin ein Schädelfragment eines Heiligen zu verstauen: „Wenn man dieses Objekt aufklappt, herrscht immer noch eine atemlose Stille.“

www.dommuseum-mainz.de

Von Karsten Packeiser (epd)