Theologin: Diffuse Sorgen bei Beratungen zur Kriegsdienstverweigerung
s:30:"Protest gegen Wehrdienstgesetz";
Protest gegen Wehrdienstgesetz

In der Diskussion um den Wehrdienst herrschen nach den Worten der hessen-nassauischen Pfarrerin für Friedensarbeit, Sabine Müller-Langsdorf, diffuse Sorgen bei ungenauem Wissen vor.

Frankfurt a.M. (epd). „Die Debatte um die Sicherheitslage macht Angst“, sagte die Beraterin für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Vor allem seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine 2022 habe die Zahl der Anfragen bei Beratungsstellen wie der EAK zugenommen, erklärte die Pfarrerin des evangelischen Zentrums Oekumene in Frankfurt am Main. Vorher seien es „sehr geringe Zahlen im Hunderterbereich pro Jahr“ gewesen, im Jahr 2024 bereits fast 3.000.

Am stärksten gewachsen sei die Gruppe der Ungedienten und deren Angehörigen, sagte Müller-Langsdorf. Ihnen nehme sie in Beratungsgesprächen vor allem Ängste, beschrieb sie. Sie erläutere dann etwa das Prozedere eines möglichen Wehrdiensts oder weise darauf hin, dass es ein grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Kriegsdienstverweigerung gebe.

Verweigerung muss eigene Position deutlich machen

Ob es sinnvoll sei, den Kriegsdienst schon heute zu verweigern, hänge vom Einzelfall ab, erklärte die Pfarrerin. Verweigern könne nur, wer tauglich gemustert sei, und derzeit werde ja nicht flächendeckend gemustert.

Es könne aber nicht schaden, seine Verweigerungsgründe schriftlich vorzuformulieren und sie in die Schublade zu legen, sagte sie: „Denn dieser Besinnungsaufsatz ist ja schon eine Arbeit besonderer Art.“ Hierin müsse die eigene Position deutlich werden. Wer sich von Künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT einen Text formulieren lasse, müsse derzeit davon ausgehen, dass dies bemerkt werde.

Kaum zugenommen hat nach Müller-Langsdorfs Worten die Zahl aktiver Soldaten, die nach Beratung fragen, weil sie den Wehrdienst nachträglich verweigern wollen. Bei ihnen spiele weniger Kriegsangst die Hauptrolle, sondern Gründe wie Krankheiten oder Unzufriedenheit im Beruf. Soldaten äußerten in Gesprächen vielfach differenzierte Kritik an Auslandseinsätzen wie etwa Afghanistan. Viele sagten, bei ihrer Entscheidung, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen, hätten sie solche Einsätze nicht im Sinn gehabt.

„Mehr Geld für nichtmilitärische Verteidigung wünschenswert“

Die Debatte um die deutsche Verteidigungsfähigkeit beschränkt sich nach den Worten der Pfarrerin zu stark auf den militärischen Aspekt. „Zur Debatte gehört die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger für den Schutz des Staats“, sagte sie. Diese Verantwortung könne militärisch oder zivil wahrgenommen werden.

In die Debatte müssten auch jene Menschen eingebunden werden, die ein möglicher Wehrdienst betreffe, sagte Müller-Langsdorf. Derzeit gehe es viel darum, wie der Dienst in der Bundeswehr attraktiv zu machen sei: „Ich wünschte mir, dass mehr Geld auch in die nichtmilitärische Verteidigung des Landes fließen würde.“ Denn Bereiche wie der Katastrophenschutz seien ebenfalls unterbesetzt und unterfinanziert.

epd-Gespräch: Nils Sandrisser