Kleidertausch im Alten Dom
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Kleidertauschbörse "Kleid@Night" im Alten Dom St. Johannis in Mainz
Evangelische Kirche und Verein wollen Nachhaltigkeit fördern

Kleider und Hosen an großen Kleiderständern, die Besucher nehmen sich, was ihnen gefällt. Im Alten Dom in Mainz bekommen sie „neue“ Kleidung, ohne dass dafür neue Kleidung produziert werden muss.

Mainz, Berlin (epd). Mittwochabend, 19 Uhr, der Alte Dom in Mainz füllt sich. Mit Menschen und mit Röcken, Blusen und Hosen. Das Evangelische Dekanat Mainz hat zur Kleid@Night eingeladen. Junge und ältere Frauen und Männer leeren ihre Taschen und hängen mitgebrachte Hemden und Blusen, Hosen sowie Jacken auf Kleiderständer. Im Laufe des Abends werden sich viele Taschen wieder füllen, denn es geht ums Tauschen.

Organisiert hat diesen und frühere Tauschabende Miriam Heil, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung des Dekanats. Aus ihrer christlichen Verantwortung heraus wolle die Kirche zum Schutz der Umwelt beitragen, sagt sie. Zudem gehe es um soziale Gerechtigkeit. Dass in anderen Ländern „Menschen unter unsicheren Arbeitsbedingungen und zu niedrigsten Löhnen schuften, damit wir billige T-Shirts kaufen können, ist doch nicht in Ordnung“, ärgert sich Heil. Dafür und für den Ressourcenverbrauch von sogenannter Fast Fashion wollen sie sowie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter ein Bewusstsein schaffen.

Kleidungsstücke landen ungetragen im Müll

Einzelne Modeketten kommen nach den Worten der Referentin inzwischen mit jährlich bis zu 24 Kollektionen auf den Markt. Im Schnitt kaufe jeder Deutsche pro Jahr 60 Kleidungsstücke, jedes vierte lande ungetragen im Müll.

Der hintere Teil des Alten Doms ist in violettfarbenes Licht getaucht, im vorderen Teil nehmen Besucherinnen und Besucher Kleidungsstücke von den Bügeln, begutachten Schnitt und Farbe und probieren an, was ihnen gefällt. Silke Bartsch ist aus Wiesbaden gekommen und lobt die Aktion und das Ambiente. „Ich bringe meine noch tragbaren Sachen mit und freue mich auf neue“, erzählt sie. Für Charlotte Middeldorf aus Mainz ist „Nachhaltigkeit ein Herzensthema“. Dass auch die Kirche ihr dazu eine Möglichkeit bietet, findet sie „klasse“.

Die Kleid@Night in Mainz ist Teil der Fashion Revolution Week, zu der es weltweit in Dutzenden Ländern Veranstaltungen gibt. Die Organisatoren erinnern damit an den Einsturz der Textilfabrik Rana-Plaza in Bangladesch, bei dem am 24. April 2013 mehr als 1.100 Menschen ums Leben gekommen sind und rund 2.500 Menschen verletzt wurden.

Politik hat Müllproblem erkannt

Viola Wohlgemuth, Kampagnenleiterin des Vereins Fashion Revolution Germany, hat neben den sozialen Bedingungen in den Herstellerländern die Umwelt im Blick. Die Textilindustrie verbrauche weltweit jährlich so viel Gas und Öl wie Spanien insgesamt, sagt sie und fügt hinzu: „80 Prozent der weltweiten Produktion von Polyester dient einzig der Herstellung von Klamotten, und das Volumen von nicht recycelbaren Textilien aus synthetischen Fasern steigt ständig.“ Jede Sekunde werde rechnerisch eine Lkw-Ladung Textilien verbrannt oder auf eine Deponie gekippt.

Die Politik habe das Müllproblem erkannt, sagt Wohlgemuth und verweist auf das EU-Gesetz zur erweiterten Herstellerverantwortung in der Textilindustrie. Es überträgt den Herstellern die Verantwortung für die Verwertung und Entsorgung ihrer Produkte. Im Koalitionsvertrag der Regierung findet sich unter dem Punkt „Kreislaufwirtschaft“ der Satz: „Im Textilbereich führen wir eine erweiterte Herstellerverantwortung ein.“ Einzelheiten zur Umsetzung fehlen allerdings.

Die Menschen haben ein Recht auf recycelbare und reparierbare Kleidung, sagt Wohlgemuth und fordert die Politik auf, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass „aus Textilproduzenten Textildienstleister“ werden. Wichtigste Ziele seien, weniger zu produzieren und eine Infrastruktur für den Textil-Kreislauf aufzubauen, für Tausch und Reparatur. Eine repräsentative Umfrage von Fashion Revolution zeige, dass jeder fünfte Deutsche bereit wäre, Kleidung auszuleihen, zu mieten oder zu tauschen.

„Mode ist eine Kunstform, eine Möglichkeit, sich auszudrücken“, betont Wohlgemuth. „Wir wollen sie so gestalten, dass nicht Menschen ausgebeutet werden und der Planet zerstört wird.“

Von Renate Haller (epd)