Koschere Nürnberger Lebkuchen als Zeichen der Verbundenheit
Nürnberg (epd).

In dem kleinen Laden „Brauch“ inmitten der Nürnberger Altstadt ist das Gedränge groß. Erstmals werden hier koschere Nürnberger Lebkuchen präsentiert. Das dürften weltweit die einzigen sein, glaubt Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg. Entsprechend groß ist seine Freude: „Wir reden momentan viel über Antisemitismus, jetzt haben wir etwas Positives und Tolles gerade in Nürnberg.“ Der geschichtsbewusste Hamburger, dessen Vater einst aus Nürnberg vor den Nazis floh, spielt damit auf die nationalsozialistische Zeit der heutigen Stadt der Menschenrechte an. „Koschere Lebkuchen konnte man sich in den finsteren Zeiten nicht vorstellen.“

Das Nürnberger Traditionsunternehmen Lebkuchen-Schmidt hat die Produktion der 4.000 Lebkuchen übernommen. Dafür nahmen zwei orthodoxe Rabbiner sowohl die Produktion als auch die Inhaltsstoffe genau unter die Lupe. So durften etwa die Backbleche nicht mit Schweinefett in Berührung gekommen sein, auch Mehl musste besondere Anforderungen erfüllen. Als Schokolade für die Elisen-Lebkuchen kam nur eine vegane Variante in Frage. Einfacher ist es mit den Gewürzen für die auch Honig- oder Pfefferkuchen genannte Leckerei. Prinzipiell gelten unverarbeitete Gewürze, wie Ingwer, Zimt, Nelke oder Kardamom nach den jüdischen Speisevorschriften „Kaschrut“ als koscher. Erst nach eingehender Prüfung starteten sie per Knopfdruck die Fertigung.

Die Idee für einen koscheren Lebkuchen ist in der einstigen Reichsstadt Nürnberg naheliegend. Bereits seit dem Mittelalter ist die Lebküchnerei in der Stadt nachgewiesen. Mit der Gründung des Nürnberger Städtepartnerschaftsvereins mit der israelischen Küstenstadt Hadera im Jahr 2019 entstand die Idee, einen koscheren Nürnberger Lebkuchen zu entwickeln. „Wir wollten mehr Nürnberg auf dem Wintermarkt nach Hadera bringen“, sagt Diana Liberova, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Dazu gehöre auch der weltbekannte Lebkuchen, der natürlich koscher sein müsse. Allerdings bremsten erst Corona und dann der Krieg die Umsetzung aus.

Dass Lebkuchen-Schmidt nun die Produktion übernommen hat, war für Firmenchef Gerd Schmelzer naheliegend. „Ich war schon mit Hamburgers Vater Arno befreundet.“ Daher sei die zunächst einmalige Aktion auch ein „Zeichen der Verbundenheit“. Denn die vergleichsweise kleine Stückzahl verlangte nach einer aufwendigen Umstellung. Neben einer besonderen Grundreinigung für die koschere Produktion musste auch die Fertigung, die bereits seit Sommer auf Hochtouren für die Weihnachtssaison läuft, inklusive Backöfen unterbrochen werden. „Es ist ein Beginn, es kann sich etwas entwickeln“, zeigt sich Schmelzer für die Zukunft zuversichtlich.

„Ich glaube, die koscheren Lebkuchen können ein Hit werden“, meint Jo-Achim Hamburger und denkt dabei an eine Nachfrage aus den USA. Aber auch für orthodoxe Juden in Nürnberg sei das Angebot wichtig. Es gebe beispielsweise kein einziges Lokal in Nürnberg, in dem koscheres Essen serviert werde. Selbst der Einkauf von Lebensmitteln sei heutzutage „eine echte Herausforderung“. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde selbst hat allerdings schon immer Lebkuchen gegessen - „egal ob koscher oder nicht“.

Auf eine gute Nachfrage im Laden oder im Online-Shop hofft auch Vitali Liberov, der nebenberuflich als „Überzeugungstäter“ im Mai dieses Jahres das Geschäft „Brauch“ eröffnet hat. Zwischen Chanukkaleuchtern, Kerzen, Honig und Gratulationskarten hat er die neuen Lebkuchen „koscher, vegan und bio“ aufgebaut. Ihm geht es aber vor allem um die Verständigung. „Wir wollen mit diesem jüdischen Laden Brücken bauen und die Nürnberger und die jüdische Geschichte zusammentragen.“ Obwohl das Geschäft erst langsam anläuft, will er einen lebendigen Ort für jüdisches Leben, Geschichte und Gegenwart etablieren.

Sein Geschäft liegt ganz in der Nähe der 1938 zerstörten Hauptsynagoge und dem im Mittelalter ebenfalls zerstörten jüdischen Viertel am Obstmarkt. Entsprechend zeigt die blecherne Lebkuchendose das frühere Judenviertel mit Bewohnern und der Burg im Hintergrund. Liberov hat aber noch mehr Ideen, selbst wenn sein Laden für ein koscheres Café zu klein ist. Er könne sich koscheren Glühwein vorstellen und hat schon mal erste Gespräche mit einem Nürnberger Hersteller geführt. Da sei man aber noch ganz am Anfang. (2958/22.09.2025)

Von Thomas Tjiang (epd)