
Die Zahl der Abschiebungen über die Flughäfen in Nordrhein-Westfalen ist 2024 deutlich gestiegen. Insgesamt wurden 3.007 Personen in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Das waren rund ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor, wie aus dem am Dienstag in Düsseldorf vorgestellten Jahresbericht der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung des Forums Flughäfen in NRW hervorgeht. Dem Gremium gehören Kirchen, Behörden und Nichtregierungsorganisationen in NRW an, die im Austausch über den Vollzug von Flugabschiebungen stehen.
Mit einem Anteil von 22,54 Prozent war knapp jede vierte abgeschobene Person minderjährig. NRW liegt damit über dem bundesweiten Durchschnitt von 18 Prozent, wie es hieß. Vor diesem Hintergrund mahnt die Abschiebungsbeobachtung des Forums Flughäfen, die bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe angesiedelt ist, die Einhaltung humanitärer Standards an. Trotz erweiterter Befugnisse der Behörden dürfe man in den Verfahren vor allem Kinder und andere Schutzbedürftige nicht vernachlässigen, heißt es in dem Jahresbericht. „Vereinbarte Schutzverpflichtungen wie die UN-Kinderrechtskonvention oder die Aufnahmerichtlinie der EU müssen stärker in die behördlichen Entscheidungsprozesse einbezogen werden“, forderte der Abschiebungsbeobachter der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Mert Sayim.
Der Bericht beklagt 42 als problematisch eingestufte Fälle, in denen es auch zu Familientrennungen kam und ein Minderjähriger ohne Eltern in Begleitung eines volljährigen Bruders abgeschoben wurde. Zudem habe es Abschiebungen von Menschen in medizinischer Behandlung gegeben, unter ihnen ein Kind nach einer Herzoperation. Eine Frau sei trotz noch andauernder Chemotherapie abgeschoben worden, heißt es in dem Bericht der Abschiebungsbeobachtung.
Hintergrund sie die sogenannte Rückführungsoffensive der Bundesregierung, hieß es. Sie setze auf eine schnellere Durchsetzung bei der Abschiebung von Ausländern, die keine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland haben. Auf diese Weise solle auch die Rückführung von Straftätern und Gefährdern beschleunigt werden. Mehr Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten deklariert werden, um zügigere Abschiebungen zu ermöglichen. „Vollzugsinteressen dürfen aber nicht über dem Schutz der Menschen stehen“, machte Sayim deutlich.
Die unabhängige Beobachtung findet vor allem an den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn statt. Der Düsseldorfer Flughafen hat den Angaben zufolge nach Frankfurt/Main die zweithöchsten Abschiebezahlen in Deutschland. Für dieses Jahr wird ein erneuter Anstieg erwartet.
Im Abschiebeprozess gebe es „keine Rückführung um jeden Preis“, betonte dagegen Kleinmann von der Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf. Ziel sei, die Maßnahmen so menschlich wie möglich umzusetzen. In keinem der beobachteten Fälle seien Misshandlungen festgestellt worden. Die Abschiebungsmaßnahmen seien „bewährt und strukturiert“. Bei Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung seien Rückführungen in Einzelfällen auch abgebrochen worden.
Kirchenrat Rafael Nikodemus von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Moderator des Forums Flughäfen in NRW, forderte eine gesetzliche Grundlage für die Beobachtung von Abschiebungen. Diese geschehe bisher auf freiwilliger Basis und stoße deshalb an Grenzen. So könne man derzeit nur den Abschiebeprozess am Flughafen erfassen, den gesamten Teil davor jedoch nicht. Nach seiner Einschätzung ist der Druck zur Abschiebung inzwischen „sehr groß“. Deshalb könne es auch häufiger zu „schwierigen Einzelfällen“ kommen. Auch der Druck auf Menschen, die sich im Kirchenasyl befinden, habe zugenommen. Aktuell gebe es aber keine Verschlechterung der Lage: Von mehreren 100 Kirchenasylen in den vergangenen Jahren seien nur drei gewaltsam beendet worden.
Das Forum Flughäfen in NRW (FFiNW) ist ein Gremium aus Vertretern von staatlichen Behörden, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, die im Austausch über den Vollzug von Flugabschiebungen stehen. Im Jahr 2001 wurde eine Abschiebungsbeobachtung an den Flughäfen in NRW, vorrangig für den Flughafen Düsseldorf, eingerichtet, wobei das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe Träger der Stellen ist. Ziel der Abschiebungsbeobachtung ist es, den Vollzug von Rückführungsmaßnahmen am Airport in den Blick zu nehmen, zu dokumentieren und gegebenenfalls Missstände aufzudecken.