
Wer ein Grab pflegt, braucht sie in den heißen Sommermonaten unzählige Male: Gießkannen, um die Pflanzen zu wässern. In unauffällig dunkelgrün oder knallbunt bieten viele Kommunen Leih-Kannen neben den Friedhofsbrunnen oder Wasserhähnen an. Ärgerlich ist es dann, wenn wieder mal keine Gießkanne am Ständer hängt: Denn oft werden Kannen nicht zurückgebracht, verschwinden hinter Gräbern oder wandern sogar in den heimischen Garten.
Deshalb setzen einige Städte auf ein Gießkannen-Pfandsystem auf Friedhöfen. Dabei muss die Kanne - wie der Einkaufwagen im Supermarkt - mit einer Münze oder einem Chip ausgeliehen werden. Wer sie zurückbringt, erhält sein Geld zurück, zum Beispiel im badischen Bietigheim bei Rastatt.
Viele Bürger hätten sich beschwert, dass an den Brunnen keine Kannen zu finden waren, sondern verstreut auf dem ganzen Friedhof, sagt eine Sprecherin der Gemeinde dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit dem Pfandsystem, das vor einem Jahr, im Sommer 2024, eingeführt wurde, habe man gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn die Bürger sich erst umstellen mussten.
Dem stimmt ein älterer Friedhofsbesucher zu: „Man gewöhnt sich daran.“ Er habe jetzt immer eine passende Münze dabei, erzählt er und lässt Wasser in die Pfand-Kanne laufen. Problematisch findet er dies aber für Ältere und Auswärtige, die das nicht wüssten. Eine 85-Jährige bringt ihre eigene, kleine gelbe Kanne auf dem Fahrrad mit: „Mir ist das zu umständlich und außerdem sind mir die Friedhofskannen mit Wasser gefüllt zu schwer.“
Bundesweit gibt es mehrere Anbieter von Gießkannen-Pfandstationen. Beworben wird etwa ein „Schmuckstück in Art-Dekor“. Es mache den Unterschied zu den Kannen-Ständern der Wettbewerber, „wo die Kannen an den Schloßsteckern im Wind baumeln und gegeneinander schlagen, mit unliebsamen Geräuschen“, heißt es auf der Homepage.
Das Pfandsystem hat aber auch Nachteile. So sind die Kosten einer „Gießkannen-Pfandstation“ sehr hoch. Eine Station mit sechs Gießkannen mit Pfandschlössern ist ab 600 Euro zu haben. Oft werden statt Münzen andere Dinge in die Vorrichtung gesteckt und das Schloss beschädigt. Durch das Eintauchen in den Friedhofsbrunnen wird die Mechanik beschäftigt. Oftmals ist es für den Friedhofsbetreiber günstiger, immer wieder neue Kannen anzuschaffen, als sie an die Kette zu legen.
Deshalb hat etwa Durmersheim, ein Nachbarort von Bietingen, das Pfandsystem wieder abgeschafft. Es habe Diebe nicht davon abgehalten, die Gießkannen zu stehlen oder verstreut auf den Friedhöfen liegenzulassen, hieß es aus dem Rathaus.
Andere Städte begegnen dem Problem, indem sie Kannen mit dem Schriftzug „Friedhof“ versehen. Andernorts wird Werbung aufgedruckt. So stellt etwa die Rheinische Treuhandstelle für Dauergrabpflege GmbH mit Sitz in Bad Honnef Friedhöfen lilafarbene Gießkannen zur Verfügung, mit Aufdruck „Friedhofsgießkanne“, dem Slogan „Leben braucht Erinnerung“ und dem eigenen Firmenlogo.
Diebstahl oder auch zweckentfremdete Verwendung von Kannen ist auch ein Thema im thüringischen Eisenach. Dort gebe es zu Beginn der Saison auf allen Friedhöfen der Stadt ausreichend Leihkannen ohne Pfandschloss, teilt die Stadt mit. „Leider besagen Erfahrungen, dass mehr als die Hälfte der Kannen zum Saisonende verschwunden, gestohlen oder versteckt ist.“ Daher würden nur noch gut sichtbare Kannen in leuchtenden Farben gekauft, die allerdings von den Friedhofsmitarbeitern „täglich aus Hecken, hinter Grabsteinen oder sonst wo im Gelände“ aufgelesen würden.
Zudem habe man vor etlichen Jahren erlaubt, dass Angehörige ihre eigene Gießkanne mitbringen und diese per Fahrradschloss am Gießkannenständer befestigen dürften. Dies sei eine Fehlentscheidung gewesen, schreibt die Stadtverwaltung. Inzwischen hingen so viele Kannen mit Schlössern an den Ständern, dass Leihkannen kaum noch Platz fänden. Auch auf dem Kölner Melatenfriedhof sind die Kannen mit Schlössern befestigt.
Doch manchmal ist auch nicht die Gießkanne das Problem: Auf dem größten Parkfriedhof der Welt, dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf, war ein Blumengießen im Frühjahr kurzzeitig unmöglich, weil in den Wintermonaten 34 Wasserhähne gestohlen wurden. Mittlerweile sprudelt das Wasser wieder.