Auf der Suche nach Wahrheit: Fotograf Jim Rakete wird 75
Berlin (epd).

Mit ikonischen Musikerporträts von Rocklegenden wie Mick Jagger und Jimi Hendrix wurde Fotograf Jim Rakete international bekannt. Seine jüngste größere Arbeit war jedoch ein Film: Die bewegende Dokumentation „Heute nicht“ aus dem Kinder- und Jugendhospiz Bethel erzählt von todkranken Kindern und ihren Familien, von Hoffnung und Trauer, vom Leben mit dem Tod. Der Titel stammt aus einem Lied des HipHop-Musikers Danger Dan, der im Film aus dem Jahr 2023 für die Kinder im Hospiz singt. Es sei ein Song über das Leben, wie es auf Deutsch keinen besseren gebe, urteilt Rakete im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Fotograf, der das Filmemachen als sein „zweites Bein“ bezeichnet, knüpft damit an eine frühere Arbeit in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel an, eine Fotoserie von Menschen mit Beeinträchtigungen. Sie wurde zum Gedenktag an die Opfer der Euthanasie-Verbrechen der Nationalsozialisten auch im Deutschen Bundestag gezeigt.

Chronist der Studentenbewegung

Jim Rakete, der am 1. Januar 75 Jahre alt wird, kam 1951 in Berlin als Günther Rakete zur Welt - sein Nachname ist tatsächlich kein Künstlername, er verweist auf seine hugenottische Herkunft. Die Erschießung des West-Berliner Studenten Benno Ohnesorg im Jahr 1967 und die 68er-Bewegung prägten ihn politisch: „Ich verspürte den Drang, zu dokumentieren, was um mich herum geschah.“

Als Fotojournalist wurde Rakete zum Chronisten der Studentenrevolte in West-Berlin, fotografierte Protagonisten wie Rainer Langhans, Uschi Obermaier und Otto Schily, die er 50 Jahre später noch einmal vor die Kamera holte.

Zweite Karriere als Musikmanager

Mit dem Auftrag der Zeitung „BZ“, die „Rolling Stones“ zu fotografieren, rückten Musiker in seinen Fokus. Sein Faible für den Sound der Zeit führte ihn zu einer zweiten Karriere als Musikmanager: 1977 gründete er die legendäre „Fabrik“ in einem Kreuzberger Hinterhof, betreute und förderte Rockbands, machte sie zu Stars, wie die Nina Hagen Band, später Spliff, Nena, Interzone, Die Ärzte und Prima Klima. Ein Jahrzehnt lang tourte Jim Rakete mit den Musikern und Musikerinnen durch Europa. Doch dann verlegte er sich wieder ganz aufs Fotografieren.

Die Porträts von Jim Rakete halten die Zeit fest und wirken doch oft so dynamisch, als seien sie in Bewegung. Neben Mick Jagger und Jimi Hendrix fotografierte er Musikstars wie Ray Charles und David Bowie, Herbert Grönemeyer und Nina Hagen, aber auch die 123 Orchestermusiker der Berliner Philharmoniker mit ihren Instrumenten.

Leute, die die Gesellschaft bewegen

Dabei kommt es ihm darauf an, nicht den Star abzulichten, sondern das Individuum mit der Kamera einzufangen. Diese Haltung prägt auch seine Porträts von Schauspielern und Schauspielerinnen wie Sophie Rois und Otto Sander oder von Politikern wie Helmut Schmidt. Wie kaum ein anderer Fotograf schafft er es, den Menschen hinter der Maske ins Bild zu setzen.

„Darum ging es mir immer, Leute, die die Gesellschaft bewegen, zu zeigen“, sagt Rakete, der 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Dieses Credo gilt auch für seine filmische Arbeit. Vor fünf Jahren feierte er die Premiere seines ersten Kinofilms unter dem Titel „Now“, für den er junge Klimaaktivisten mit der Kamera begleitete. „Ich wollte diesen jungen Leuten eine Stimme geben“, erklärt er im epd-Gespräch. Seine eigene Rolle sieht der Fotograf als „Diener des Themas“.

Bei den Arbeiten im Kinder- und Jugendhospiz Bethel habe ihn neben den Einzelschicksalen auch das Engagement der Betreuer berührt, sagt er. Dennoch sei es für ihn sowohl als Fotograf als auch als Filmemacher wichtig, den professionellen Abstand zu wahren, um nicht Gefahr zu laufen, zum Voyeuristen zu werden - dem „Affen zu viel Zucker zu geben“, wie er es formuliert.

Projekt mit Straßenkindern und eine Theaterinszenierung

Mittlerweile, bekennt Jim Rakete, sei er bei der Wahl seiner Themen sehr wählerisch. Zurzeit arbeitet er an einem Projekt mit Straßenkindern. Doch in Zeiten von Selfies und Instagram habe sich die Fotografie verändert, die Bilder nutzten sich zu schnell ab. „Die Fotografie ist nicht mehr das Wahrheitsfindungsobjekt, das sie einmal war, sie ist eher eine geschmäcklerische Sucht geworden.“

Mit 75 Jahren wagt er sich nun nochmal auf neues Terrain vor: Für das St. Pauli Theater in Hamburg inszeniert Jim Rakete „Das letzte Band“ von Samuel Beckett, Premiere ist im Februar 2026. Anfang der 1970er Jahre hatte er als junger Fotograf den irischen Dramatiker am Schiller-Theater in West-Berlin porträtiert. Jetzt schließt sich für ihn ein Kreis: „50 Jahre später kriege ich die Gelegenheit, diesen Stoff zu bearbeiten. Das begeistert mich ganz stark.“

Von Sigrid Hoff (epd)