Der evangelische Bischof Christian Stäblein hat zunehmende extreme Polarisierungen in der Gesellschaft kritisiert. Es habe sich an vielen Stellen eine „Empörungs- und Wutgesellschaft“ entwickelt, die der Demokratie schade, sagte Stäblein am Donnerstag in Berlin in seinem Bischofswort vor der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Empörung sei „fast schon die regelhafte Rezeption von Ereignissen jedweder Art geworden“. Diese Empörungsgesellschaft habe auch die Kirche erreicht.
Seelsorge gegen Wutgesellschaft
Stäblein betonte, normale Polarisierung sei unproblematisch, denn sie diene der Sortierung und Etablierung sowie dem Diskurs von unterschiedlichen Positionen. Das Problem sei die zum Zweck der Demokratieschädigung betriebene Instrumentalisierung der Polarisierung. Dem müsse auch mit öffentlicher Seelsorge der Kirche begegnet werden. Dies bedeute unter anderem, Räume zu bieten, um Empörung zu äußern und darüber zu sprechen.
Seelsorge bedeute dabei nicht „weiches Reden“, sagte der Bischof: „Das kann und muss oft in aller Klarheit und Härte sein.“ Ein offener Gesprächsraum in der Kirche müsse „der mahnenden Verteidigung auch von Humanität und Freiheit in demokratischem Miteinander“ dienen. Es gehe um „öffentliches Sorgen um die Seelen, die verwundet sind, in Angst“.
Herausforderung Migration
Zum Thema Migration sagte der Bischof, der Schutz von Flüchtlingen dürfe nicht infrage gestellt werden. Zugleich dürften die Herausforderungen unter anderem durch die Fremdheit von Kulturen und Lebensweisen nicht kleingeredet werden. Wer dies verschweige, fördere den Populismus, der das Miteinander gefährde. Die gleiche Anerkennung der Geschlechter, ihre Chancen- und Berufschancengleichheit dürfe nicht zur Disposition gestellt werden. Zugleich sollte Rassismus, wie er in Stadtbild-Scheindebatten durchklinge, nicht akzeptiert werden.
Segen ist keine Trauung
Mit Blick auf die Aufregung um einen Segen für vier gemeinschaftlich in Liebe lebende Männer betonte Stäblein erneut, die Segenshandlung sei weder eine Hochzeit noch eine Trauung gewesen. Ein Segen sei Bitte und Zuspruch von Gottes Begleitung für Wege im Leben, „gemeinsame, schwere, leichte oder lange“. Trauungen für Gruppen oder Verbindungen von mehr als zwei Menschen gebe es in der Kirche nicht. Dem nach dem Segen für die vier Männer losgebrochenen Hass müsse entschieden widersprochen werden. Auch Queerfeindlichkeit dürfe nicht hingenommen werden.
Gegen Antisemitismus
Stäblein rief auch erneut zur Bekämpfung von Judenfeindlichkeit auf. Der Kampf „gegen Antisemitismus, das Menschheitsverbrechen, die Sünde“ bleibe weiter notwendig, sagte er. Es sei inakzeptabel, dass jüdische Restaurants in Berlin „nur noch unter schwerem Polizeischutz arbeiten können“ und dass sich Menschen aus Angst vor Angriffen fürchten, auf die Straße zu gehen.
Zugleich müsse auch das Leid der Menschen in Gaza gehört, gesehen und laut ausgesprochen werden, sagte Stäblein. Das Leid dort durch Bombardements, Zerstörung und Hunger bleibe Unrecht. Wo etwas für den Frieden getan werden könne, müsse es getan werden.