Trauerfotografin macht Bilder vom Lebensende
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Trauerfotografin macht Bilder vom Lebensende
Braunschweig (epd).

Wenn Fotografin Claudia Haring auf den Auslöser drückt, ist in der Friedhofskapelle nur ein leises Klicken zu hören. Der Fokus der Kamera richtet sich auf den Sarg, die Blumen - viele kleine Details, damit die Angehörigen diesen Tag des Abschieds möglichst nicht vergessen. Die 39-Jährige aus Braunschweig hat sich neben Hochzeits- und Event-Fotografie auch auf die sogenannte Memorial Photography spezialisiert und hält Trauerfeiern und Beisetzungen in Fotos fest.

Alles begann, als vor drei Jahren Harings Vater plötzlich starb. „Nach der Beerdigung blieben mir eine Handvoll Handyfotos vom Bestatter, vom Sarg, vom aufgestellten Foto“, erinnert sich die Frau mit den rot gefärbten Haaren. „Was für mich den Abschied ausmacht, ist nicht das, sondern wie Menschen sich stützen und umarmen.“

Gefühle fahren Achterbahn

Ähnlich wie bei einer Hochzeit würden die Menschen sich auch bei Trauerfeiern nur an einen Bruchteil des Tages erinnern, meint Haring. „Die Gefühle fahren Achterbahn und man blendet so viel aus.“ Erinnerungen verblassten über Jahre.

Um das Festhalten der Erinnerungen ging es, als die Memorial Photography im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstand. Damals war das Foto des Verstorbenen insbesondere bei verstorbenen Kindern oft das einzige Bild, das der Familie blieb. Dabei wurden die Personen oft gekleidet und dargestellt, als lebten sie noch. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden Tod und Sterben zunehmend tabuisiert. Harings Beruf ist daher bislang eher eine Ausnahme.

Fotografien können beim Trauern helfen

Nach Ansicht des Theologen und Psychologen Roland Kachler können derartige Fotografien bei der Trauerverarbeitung helfen. „Ich sage den Angehörigen immer, wenn Sie das gerne festhalten wollen, tun Sie das, damit es nicht verloren geht.“ Hinterher könnten sie dann entscheiden, ob sie sich die Fotos wirklich anschauen wollen. „Dies kann noch einmal eine Konfrontation mit der Realität bedeuten, die zwar schmerzlich, aber auch nötig ist, und das Fließenlassen der Trauer ermöglicht.“

Haring hat ein paar dieser Momentaufnahmen auf einem Flyer abgedruckt. Darauf zu sehen ist die Hand eines Mannes, der mit seinem Rollator zum Grab seiner Frau geht und einen Rosenstrauß hält. In einem anderen Bild hat die Fotografin eine junge Witwe festgehalten, die am Grab ihres Mannes steht, den Kopf in den Nacken gelegt und in den Himmel lächelt. Für Haring die Bestätigung: „Abschied muss nicht bedeuten, traurig zu sein.“

Arbeit auf Wunsch von Angehörigen

Haring arbeitet allein auf Wunsch der Angehörigen, möglichst unauffällig und versteckt. Bei Trauerfeiern sei es ähnlich wie bei den Hochzeiten, sagt die Mutter dreier Kinder: „Die Menschen wünschen sich ein Bild, das nah dran ist, aber dass sie nicht merken, dass jemand es macht.“

Sie habe keine Hemmungen dabei, auch Trauerfeiern abzulichten, sagt die Fotografin. Wie selbstverständlich würden doch Fotos von den wichtigen Stationen des Lebens wie der Geburt, der Einschulung, der Konfirmation oder der Hochzeit gemacht, sagt sie und gestikuliert dabei wie zur Verdeutlichung mit ihren tätowierten Händen. Warum nicht auch vom Sterben?

Mit ihrer Arbeit sehe sie auch eine Notwendigkeit, eine Geschichte von Anfang bis zum Ende zu erzählen, sagt sie. Wie Menschen damit umgingen, sei eine ganz persönliche Entscheidung: „Eine Entscheidung, die man nicht bewerten kann.“

Von Charlotte Morgenthal (epd)