In der Weihnachtsbäckerei: Kinder backen auf dem Weihnachtsmarkt
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Luise präsentiert ihre Weihnachtsplätzchen in der Weihnachtsbäckerei auf dem Weihnachtsmarkt in Speyer

Teig kneten, Engel und Sterne ausstechen und selbstgebackene Plätzchen mitnehmen. In Backstuben auf Weihnachtsmärkten haben Kinder Spaß. Das Backen ist ein generationenübergreifendes Advents-Ritual, sagt ein Theologe.

Speyer, Kaiserslautern (epd). Luise kommt als erste in die Weihnachtsbäckerei reingeschneit. Die Fünfjährige schlüpft in einen weißen Kittel und legt los: Sie knetet einen großen Klumpen Teig, walzt ihn mit einer Rolle flach, sticht mit Plätzchenformen Figuren aus, verteilt mit den Fingern Schokostreusel darauf. „Die Sternschnuppe ist am schönsten“, sagt Luise, die mit ihrer Familie aus Kiel zu Verwandtschaftsbesuch in Speyer ist. Beim Gang über den Weihnachtsmarkt hat sie zufällig die Kinderbackstube in einem Holzhäuschen entdeckt.

Sie ist ein Renner: Seit 30 Jahren backen Ehrenamtliche des örtlichen Kinderschutzbundes gemeinsam mit Kindern in der Adventszeit leckere Plätzchen: Sterne, Schneemänner, Weihnachtsengel, Elche - und neuerdings gar den Speyerer Dom und ein „Dubbeglas“, wie sich das bei Pfälzern beliebte Glas für Rieslingschorle nennt. „Wir wollen Kindern einfach eine Freude machen“, sagt Sylvia Berghaus vom Vereinsvorstand. „Sie und ihre Familien kommen oft von weither.“

Liedermacher Zuckowski stieß Idee zu Kinderbackstuben an

„In der Weihnachtsbäckerei“: Mit seinem Song hat der Hamburger Liedermacher Rolf Zuckowski vor fast 40 Jahren einen anhaltenden Trend zum vorweihnachtlichen Plätzchenbacken in Kinderbackstuben angestoßen. Auch auf anderen Weihnachtsmärkten, etwa in Baden-Baden, Freiburg, Hannover oder Dresden gibt es sie. Dort können Kinder im Kita- oder Grundschulalter ihr eigenes Weihnachtsgebäck unter Anleitung herstellen. Viele Angebote werden von Sponsoren unterstützt. Für die Jungen und Mädchen sind sie kostenlos, oder es wird wie in Speyer ein Unkostenbeitrag erhoben. In Hamburg kann man sogar auf zwei „Weihnachtsbackschiffen“ über die Binnenalster schippern.

Liana hat in der Speyerer Kinderbackstube ihr Backblech fertig mit ausgestochenen Plätzchen belegt. Gleich kommen sie in den Ofen, gebacken werden sie 15 Minuten lang bei einer Temperatur von rund 200 Grad Celsius. „Mama und Papa bekommen einige“, sagt das siebenjährige Mädchen, das aus dem Iran stammt. „Wir besuchen die Oma in Teheran, die isst sie auch.“

Etliche der Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes in der Backstube haben selbst Enkel. „Viele Eltern backen mit ihren Kindern nicht mehr“, erzählt Anne Zwick, die von Anfang an dabei ist. Doch Weihnachtsgebäck vom Bäcker sei für Familien ein teures Vergnügen: Fünf Euro aufwärts müsse man häufig für eine 150-Gramm-Tüte hinblättern.

Die elfjährige Ronja aus Speyer ist begeistert von der Weihnachtsbäckerei - drei oder vier Mal hat sie dort mitgebacken. „Die Plätzchen esse ich selbst“, sagt das Mädchen, während die Mutter ein paar Bilder mit dem Handy macht und sich verabschiedet: „Mama geht Glühwein trinken.“

Gemeinsames Backen als „Lichtblick“

Auch in Kaiserslautern gibt es auf dem Weihnachtsmarkt bei der protestantischen Stiftskirche eine Kinderbackstube. Alle können mitmachen bei dem kostenlosen Angebot der westpfälzischen Kommune. Gerade für arme Kinder sei es ein Lichtblick, wenn sie mit ihren eigenen Händen etwas schaffen und das süße Ergebnis mit nach Hause tragen könnten, sagt Sandra Wolf vom City-Management. Unter der Woche kommen ganze Grundschulklassen in die Backstube.

Bei der Plätzchenback-Aktion in der Adventszeit geht es auch darum, die christliche Tradition des Weihnachtsfests zu vermitteln, wie die ehrenamtliche Helferin Heide Borngesser betont. Viele Kinder - gleich ob christlich getauft oder nicht - wüssten nichts über Jesus Christus und das Fest der Liebe.

Theologe: Plätzchenbacken bringt Jung und Alt zusammen

Die Bedeutung des Plätzchenbackens zur Vermittlung von religiösen Werten will Matthias Morgenroth indes nicht zu hoch hängen. „Es ist einfach ein gemeinsames Ritual, unverfänglich und offen für alle“, sagt der Münchner evangelische Theologe, Journalist und Autor. Das Werkeln ohne Leistungsdruck in der duftenden Backstube mache einfach Spaß - und bringe Jung und Alt zusammen. „Und für die Älteren ist es eine Erinnerung an die eigene Kindheit“, sagt Morgenroth, der sich mit dem Weihnachtsbrauchtum beschäftigte.

80 bis 90 Kilogramm Butterteig werden in einem Monat verbacken, erzählt Sylvia Berghaus, die Leiterin der Speyerer Backstube. Ein Obdachloser klopft an die Scheibe und zeigt auf ein Backblech. „Komm später wieder, dann kriegst du was“, ruft sie ihm zu.

Die kleine Liana bestreicht ihre Plätzchen mit Milch, damit sie schön goldbraun werden. Ihre Betreuerin Anne Zwick stößt das Glas um. „In der Weihnachtsbäckerei“, singt Zwick und beide lachen, „gibt's 'ne Riesensauerei“.

Von Alexander Lang (epd)