
Regine Jolberg gründete 1840 im badischen Leutesheim eine der ersten Einrichtungen für Kleinkinder in Deutschland und schulte Kinderpflegerinnen. Liebe sei die beste Erzieherin und Lehrerin, war sie überzeugt. Und so gilt sie heute als eine wichtige „Protagonistin der frühkindlichen Bildung“.
Karlsruhe (epd). Sie wollte die soziale und religiöse Not ihrer Zeit lindern: Regine Jolberg (1800-1870) gründete 1840 im badischen Leutesheim bei Kehl eine der ersten Einrichtungen für Kleinkinder in Deutschland und bildete Kinderpflegerinnen aus. Sie wurde vor 225 Jahren, am 30. Juni 1800, in Frankfurt am Main geboren und starb am 5. März 1870 im badischen Nonnenweier im Ortenaukreis.
Jolberg sei eine „Protagonistin der frühkindlichen Bildung“ gewesen, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Adelheid von Hauff, die über Jolberg promoviert hat, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Neben einer sozialpädagogischen Motivation sei es deren Anliegen gewesen, Kindern den christlichen Glauben durch das Erzählen biblischer Geschichten näherzubringen.
Frühe religiöses Sozialisation als Ziel
„Wenn wir heute davon sprechen, dass unsere Kindertageseinrichtungen ein religiöses Profil aufweisen müssen, dann ist es genau das, was Regine Jolberg beabsichtigte“, erklärt von Hauff, die Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Die religiöse Sozialisation beginne in früher Kindheit und habe eine große Bedeutung für die Glaubensentwicklung. Daher solle die Kirche trotz Sparmaßnahmen alles dafür tun, um weiter in Kindertagesstätten mit einem religiösen Profil wirken zu können.
Regine Jolberg war das drittälteste von elf Kindern des jüdischen Handelskaufmanns David Zimmern und seiner Frau Sara. Als Kind jüdischer Eltern lernte sie Hebräisch, ohne wirklich in der jüdischen Religion unterwiesen zu sein. Vierzehnjährig besuchte sie für zwei Jahre ein christliches Pensionat.
Übertritt zum christlichen Glauben
Ihr Bruder Sigmund, ein Rechtsgelehrter, war der Erste im Kreis der Geschwister, der sich taufen ließ. Sie selbst trat im Jahr 1826 zusammen mit ihrem zweiten Mann Salomon Jolberg und ihren beiden Töchtern aus erster Ehe zum christlichen Glauben über. Ihr erster Mann, der Jurist Leopold Joseph Neustetel, war bereits 1825 verstorben.
Als sie mit 29 Jahren erneut Witwe wurde, widmete sich Jolberg der Erziehung ihrer Töchter sowie der Pflege des alternden Vaters. 1840 übersiedelte sie von Heidelberg nach Leutesheim bei Kehl.
Dort sammelte sie die Kinder von Tagelöhnern ein zum Singen, Spielen, Basteln, Stricken und vor allem zum Erzählen biblischer Geschichten. Neben der Arbeitsschule für Mädchen und Knaben gründete sie 1844 ein „Mutterhaus für Kinderpflege“ zur Ausbildung von Kleinkinderpflegerinnen.
„Kinderpflegen“ in Abgrenzung zur Schule
Jolberg hatte genaue Vorstellungen. Sie setze sich dafür ein, dass in Kinderpflegen nicht mehr als 60 Kinder in einer Gruppe waren und die Einrichtungen über einen großen Garten verfügten. Außerdem sollten die Kinderpflegerinnen in geeigneten Räumen wohnen und arbeiten sowie einen Erholungsurlaub von sechs Wochen jährlich haben. Nach Zeiten politischer Unruhen fand „Mutter Julie“, wie sie sich am liebsten nennen ließ, 1851 mit ihrer Anstalt eine neue Heimat in Nonnenweier.
Da die „Anstalten für das zarte Kindesalter keine Schulen im eigentlichen Sinn des Wortes sein sollen“, nannte Regine Jolberg die durch sie entstandenen Einrichtungen weder Kinderschulen noch Kleinkinderbewahranstalten, sondern Kinderpflegen. „Die Liebe ist die beste Erzieherin und Lehrerin“, schrieb Jolberg 1857. Sie machte Kindern Angebote, die ihnen in ihrer Entwicklung helfen sollten - ohne Druck, aber mit Anleitung.
Bei der Erziehung von Kindern war ihr das Einhalten bestimmter Ordnungen wichtig. Dazu gehörte etwa das Aufräumen. Auch Sport war für sie zentral. Der Tagesablauf in den Kinderpflegen war entsprechend strukturiert und begann mit Gesang, Gebet und dem Erzählen einer biblischen Geschichte. Für Regine Jolberg war die Sprache das Medium, mit dem Kinder zum Glauben an Gott geführt werden sollen.