
Arbeitgeber können bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rückzahlung von Fortbildungskosten verlangen. Wird der Arbeitnehmer mit einer formulierten Vertragsklausel jedoch unangemessen benachteiligt, ist sie unwirksam, urteilte das Landesarbeitsgericht Rostock.
Rostock (epd). Grundsätzlich ist eine vom Arbeitgeber finanzierte Fortbildung eines Arbeitnehmers eine gute Sache. Sie bietet beiden Seiten erhebliche Vorteile. Denn der Beschäftigte kann sich ohne eigene Kosten qualifizieren, dafür bindet er sich meist über mehrere Jahre an das Unternehmen, das sich so eine Fachkraft sichert. Doch wenn ein solches Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeitenden vorzeitig endet, droht Streit, wie er jetzt vom Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern entschieden wurde.
Es stellte in einem kürzlich veröffentlichten Urteil klar, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht pauschal die Rückzahlung der aufgewandten Fortbildungskosten verlangen kann. Eine Rückzahlung müsse vertraglich ausgeschlossen werden, falls der Arbeitnehmer unverschuldet die vereinbarte Arbeit nicht antreten kann, erklärten die Rostocker Richter.
Firma übernahm Studiengebühren und Prüfungskosten
Im aktuellen Rechtsstreit hatte der Betreiber einer Physiotherapiepraxis die Studiengebühren und die Prüfungskosten einer Studentin für ein siebensemestriges Bachelorstudium der Physiotherapie an einer privaten Fachhochschule übernommen. Im Gegenzug sollte die Studentin nach erfolgreichem Studienabschluss mindestens fünf Jahre in der Physiotherapiepraxis in Vollzeit arbeiten.
Vertraglich wurde vereinbart, dass die Studentin die Fortbildungskosten zurückzahlen muss, wenn sie den staatlichen Abschluss nicht erreicht oder sie das angebotene Anstellungsverhältnis nicht antritt. Für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses sollte sie 200 Euro zahlen.
Die Studentin schaffte zwar das Studium, trat jedoch die Stelle in der Physiotherapiepraxis nicht an. Der Praxisbetreiber forderte daraufhin Fortbildungskosten in Höhe von rund 10.800 Euro zurück.
Frau sah in Klausel unangemessene Benachteiligung
Die Frau hielt die Forderung für rechtswidrig. Die vertragliche Rückzahlungsklausel sei wegen einer unangemessenen Benachteiligung unwirksam. Denn sie sei auch dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn sie unverschuldet aus gesundheitlichen Gründen das Stellenangebot gar nicht hätte annehmen können. Außerdem sei die vertragliche Bindungsfrist mit fünf Jahren viel zu lang und der Rückzahlungsbetrag falsch berechnet, so die Frau.
Dem folgte nun auch das LAG. Bei den Klauseln zur Rückzahlung der Fortbildungskosten handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Deren Klauseln seien unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das sei hier der Fall, befand das Gericht.
Es sei allerdings zulässig, dass ein Arbeitgeber vertraglich die Rückzahlung der Fortbildungskosten vereinbart, wenn ein anschließendes Beschäftigtenverhältnis nicht angetreten werde. Doch müsse er im Vertrag eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht für den Fall regeln, dass der Studierende unverschuldet das Beschäftigungsangebot ablehnen muss, etwa wegen einer Krankheit. Diese Grundsätze gelten laut LAG auch dann, wenn zwischen den Parteien noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, sondern ein solches erst nach Beendigung des Studiums begründet werden soll.
Fünf Jahre Bindungsfrist sind zu lang
Die Rückzahlungspflicht an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe hierfür zu berücksichtigen, sei ebenfalls unzulässig. Schließlich sei auch die fünfjährige Bindungsfrist zu lang.
Bereits am 1. März 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt im Fall einer Altenpflegerin ähnlich geurteilt. Die Frau hatte von ihrem früheren Arbeitgeber, einer fränkischen Rehaklinik, die Fortbildung zur „Fachtherapeutin Wunde ICW“ finanziert bekommen. Mit Abschluss der Fortbildung kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Die Rehaklinik forderte daraufhin anteilige Fortbildungskosten in Höhe von 2.727 Euro zurück, weil die Frau nicht, wie vereinbart, das Arbeitsverhältnis für mindestens sechs Monate fortgesetzt hatte.
Kritik an „Bleibedruck“
Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG wiesen die Rehaklinik ab. Laut Fortbildungsvertrag führe hier jede, nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Arbeitnehmerkündigung zu einer Rückzahlungspflicht, und zwar selbst dann, wenn die Altenpflegerin unverschuldet ihre Arbeit nicht antreten könne. Damit löse die Klausel einen „Bleibedruck“ aus, der ihre Berufswahlfreiheit in unzulässiger Weise einschränke.
Als Konsequenz sei die Rückzahlungsklausel insgesamt unwirksam, so das BAG. Faktisch gilt sie damit als gar nicht vereinbart. Daher könne die Rehaklinik keine Erstattung der Fortbildungskosten verlangen. Inwieweit die Altenpflegerin tatsächlich für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Verschulden treffe, spiele keine Rolle für die Unwirksamkeit der Klausel.
Az.: 5 SLa 104/24 (Landesarbeitsgericht Rostock)
Az.: 9 AZR 260/21 (Bundesarbeitsgericht)