
Es rattert und dröhnt. Maschinen aller Art verarbeiten Stoff in der Fabrikhalle am Stadtrand von Kenias Hauptstadt Nairobi. An der Schnittmaschine bringt Micheal Githinji Stoffbahnen in T-Shirt-Form. Er arbeitet schon seit fast 40 Jahren hier, hat sich hochgearbeitet und konnte seinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen. Ein solcher Lebenslauf ist in dem ostafrikanischen Land nicht selbstverständlich, denn nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung hat eine verlässliche Arbeit mit einem formellen Anstellungsverhältnis. Aufrecht steht der Mann Anfang 60 an seiner Maschine und erzählt von den Schnittmustern, die er über die Jahre mitentwickelt hat.
Die kenianische Firma Straightline Enterprises, bei der Githinji arbeitet, ist von der „World Fairtrade Organization“ zertifiziert. Dafür müssen sie faire Löhne zahlen, ihre Mitarbeitenden langfristig beschäftigen und sich zu Transparenz verpflichten. Auch das deutsche Unternehmen Kipepeo Clothing lässt hier seine T-Shirts produzieren.
Einmal im Jahr kommt Kipepeo-Gründer Martin Kluck aus Stuttgart nach Nairobi, um mit dem Team vor Ort an neuen Produkten und Strategien zu arbeiten. Der persönliche Austausch und die Herstellung im Manufakturbetrieb sind ihm wichtig - und für ihn einer der Unterschiede zur Massenmode, der sogenannten Fast Fashion: „Die T-Shirts sind nicht nur Kleidungsstücke, sondern erzählen Geschichten“, sagt Kluck.
Kipepeo muss Kredite aufnehmen
Ein kleiner Vogel ziert das T-Shirt des 42-Jährigen, gezeichnet von einem Schulkind in Kenia. Die Kinderzeichnungen sind elementarer Bestandteil der Kipepeo-Shirts, denn damit hat vor 17 Jahren alles angefangen. 2008 hatte Kluck für ein halbes Jahr in Tansania an einer Schule unterrichtet. Zum Abschied malte ihm ein Mädchen namens Abigail ein Selbstporträt in sein Tagebuch. Als ihre Familie die Schulgebühren nicht mehr bezahlen konnte, druckte Kluck kurzerhand die Zeichnung auf T-Shirts und schickte das Geld aus dem Verkauf nach Tansania.
Seitdem hat sich viel entwickelt. Die Zeichnungen werden nicht mehr einfach auf irgendwelche T-Shirts gedruckt, sondern auf solche, die unter möglichst fairen und nachhaltigen Bedingungen in der Region hergestellt werden. „Es ist aufwendig, aber das Richtige zu tun, ist den Aufwand wert“, sagt Kluck, der sein Label seit 2016 in Vollzeit betreibt und auch in Vorträgen und auf Messen über den Aufbau von transparenten Lieferketten berichtet. 1,5 Tonnen Stoff kauft er jedes Jahr, aus dem 8.000 bis 10.000 T-Shirts entstehen. Dafür muss Kipepeo in Vorleistung gehen und Kredite aufnehmen. Gründer Kluck wünscht sich in Deutschland mehr Förderprogramme für kleine Unternehmen, damit in Zukunft mehr von ihnen den Schritt wagen, unter fairen Bedingungen zu produzieren.
Baumwolle wichtiger Wirtschaftszweig in Tansania
Die Bio-Baumwolle für die Kipepeo-Shirts bauen Kleinbauern in Tansania an. Deren Kooperative hat Kluck bei einer seiner Reisen durch das Land kennengelernt, und sie mit einer lokalen Stofffirma in Kontakt gebracht, die aus der Baumwolle Garne spinnt und damit den Stoff webt. Baumwolle ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Tansania, die Regierung investiert in den Ausbau des Sektors. Der Großteil der Baumwolle wird aber nicht - wie für die Kipepeo-Shirts - in Tansania verarbeitet, sondern als Rohstoff exportiert. Die Wertschöpfung findet dann anderswo statt.
Dass zwischen dem Anbau der Baumwolle, der Herstellung des Stoffs und der Produktion der T-Shirts insgesamt nur etwa 600 Kilometer Straße liegen, ist besonders. Oft werden Produkte mehrmals über den Ozean geschifft, bevor sie in Deutschland landen. Für den lokalen Markt sind die in Kenia oder Tansania produzierten Produkte oft zu teuer, denn sie müssen mit den spottbilligen Second-Hand-Klamotten aus Europa und den USA konkurrieren. Die Kipepeo-Shirts gibt es in Deutschland in Weltläden und im eigenen Onlineshop, wo Kunden ein zusätzliches Trinkgeld für die Mitarbeitenden in Kenia geben können.
In der Fabrik in Kenia prüft Eunice Wairimu die T-Shirts ein letztes Mal, bevor sie verpackt und verschickt werden. Die Angestellte schätzt nicht nur die sicheren Arbeitsplätze, sondern auch die persönliche Verbindung. „Wenn es mehr solcher Arbeitsplätze gäbe, würden weniger unserer jungen Leute ihr Glück im Ausland suchen“, sagt sie.