Inkassodienstleister Creditreform: Private Überschuldung nimmt zu
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Schuldnerberatung
Neuss (epd).

Nach rückläufigen Zahlen in den vergangenen Jahren hat die Überschuldung privater Haushalte wieder zugenommen. Erstmals seit 2018 ist in diesem Jahr die Zahl der Menschen, die ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können, gestiegen, wie aus dem am Freitag in Neuss veröffentlichten Schuldneratlas des Inkassounternehmens Creditreform hervorgeht. Aktuell gelten 5,67 Millionen Bürger ab 18 Jahren als überschuldet. Das sind 111.000 oder zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Einen ähnlich hohen Anstieg gab es zuletzt 2016.

Die Überschuldungsquote - der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland - stieg damit gegenüber 2024 um 0,07 Prozentpunkte auf 8,16 Prozent. Als Gründe führt der Bericht vor allem höhere Belastungen durch gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten sowie höhere Kreditzinsen an, was immer mehr Haushalte überfordere.

Finanzieller Puffer vieler Haushalte aufgezehrt

Nach Jahren des „Angst-Sparens“ im Zuge der Coronakrise seien die finanziellen Puffer vieler Haushalte inzwischen aufgezehrt, erklärte das Unternehmen Creditreform. Hinzu komme die angespannte wirtschaftliche Lage mit vielen Unternehmensinsolvenzen und Stellenabbau. Auch viele gut bezahlte Arbeitsplätze seien zuletzt verloren gegangen, während echtes Wachstum in Deutschland immer noch nicht in Sicht sei.

Als Folge sind laut dem Bericht erstmals seit Jahren wieder alle Bevölkerungsgruppen von Überschuldung betroffen. „Überschuldung ist kein Randphänomen mehr“, sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrick-Ludwig Hantzsch: „Wir sehen mittlerweile viele, die eigentlich gut situiert sind, aber ihre finanzielle Belastbarkeit überschätzt haben. Das betrifft zunehmend auch Menschen mit stabilem Einkommen und geregeltem Alltag.“

„Überschuldung ist kein Randproblem mehr“

Auch der gleichzeitige Anstieg so genannter harter und weicher Überschuldung ist laut Creditreform ein Alarmsignal, das auf eine „breite Verschlechterung“ der privaten Finanzen hindeute und zuletzt 2017 beobachtet worden sei. So gab es 2025 bislang 3,19 Millionen Fälle, bei denen es wegen Überschuldung zu Vollstreckungen, Inkassoverfahren und Haftbefehlen kam. Das sind 39.000 oder 1,2 Prozent mehr als 2024. Die Zahl der Fälle von anhaltenden Zahlungsproblemen ohne rechtliche Folgen stieg um 72.000 oder drei Prozent auf 2,5 Millionen.

Überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen sind dem Bericht zufolge vor allem junge, ausgabefreudige Menschen unter 30 und ältere über 60 Jahre. Jüngere überspannen ihren finanziellen Spielraum demnach vor allem durch Ratenkredite für Konsum nach dem Modell „jetzt kaufen, später zahlen“. Bei den Älteren stoßen steigende Lebenshaltungskosten auf ein begrenztes Renteneinkommen. Beide Gruppen hätten kaum Spielraum für unvorhergesehene Ausgaben.

Auch für das kommende Jahr mehr Fälle von Überschuldung erwartet

Die Creditreform erwartet auch für das kommende Jahr wieder mehr Fälle von Überschuldung. Gründe seien weiter steigende Kreditzinsen, hohe Lebenshaltungskosten sowie ein weiter schwächelnder Arbeitsmarkt. „Die Überschuldung droht wieder ein echtes gesellschaftliches Thema zu werden“, sagte Hantzsch. Ein Novum sei auch, dass die Überschuldung bundesweit zugenommen habe.

Im bundesweiten Vergleich sind vor allem wirtschaftlich angeschlagene Regionen in NRW betroffen. Von den fünf kreisfreien Städten mit der höchsten Überschuldungsquote liegen drei im bevölkerungsreichsten Bundesland: Gelsenkirchen (Überschuldungsquote: 17,07 Prozent), Herne (16,58 Prozent) und Hagen (16,51 Prozent). Spitzenreiter ist Bremerhaven (18,33 Prozent). Die bundesweit niedrigste Quote hat das bayerische Eichstätt (3,66 Prozent).

Von Frank Bretschneider (epd)