Die von Claude Monet (1840-1926) im Freien geschaffenen Bilder zeigen Blumenwiesen, Bäume, Szenen an Flußufern, mit flüchtigem Pinselstrich gemalt. Sie gehören zu den Ikonen der impressionistischen Malerei. Die Ausstellung „Claude Monet und die impressionistische Stadt“ in der Berliner Alten Nationalgalerie rückt nun erstmals seine Stadtansichten in den Fokus, in denen er die Landschaft in die Stadt holte und das moderne Paris mit seiner Stadtbevölkerung in Szene setzte.
Ob auf dem Vorplatz der Kirche Saint-Germain-L'Auxerrois, dem grünen Park des Jardin de l’Infante oder dem Quai du Louvre - es sind die Menschen, die als Flaneure diese Orte genießen. Mit impressionistischer Leichtigkeit malt Monet hier das flirrende Leben der Großstadt vor der steinernen Silhouette der Straßen.
1867 wählte Claude Monet mit seiner Bilderserie das nach 1850 radikal umgestaltete Paris mit neugeschaffenen Plätzen, breiten Boulevards und langen Avenuen zum Motiv. „Das war ein ganz neuer Blick auf die Stadt, man fühlte sich auf einmal ganz modern. Und dieses Quirlige, Zeitgenössische, hat ihn inspiriert“, erklärt Ralph Gleis, Direktor der Alten Nationalgalerie und Kurator der Schau.
Maler des modernen Paris und der neuen Freizeitgesellschaft
Ausgehend von dem Werk aus der eigenen Sammlung mit der Kirche Saint-Germain-L'Auxerrois, stimmen zwei weitere Bilder der Serie, die aus Den Haag und aus Oberlin/Ohio in den USA nach Berlin reisten, auf das Thema ein und werden erstmals in einer Ausstellung zusammengeführt. Die Schau, die in Kooperation mit den beiden leihgebenden Institutionen entstand und dort ihre weiteren Stationen haben wird, ist zugleich die letzte Ausstellung des scheidenden Sammlungsdirektors Gleis.
Als Monet sich 1867 die moderne Metropole zum Motiv wählt, verschafft er sich mit einem Antragsschreiben Zugang zum Louvre, allerdings nicht - wie bis dahin üblich - um die Alten Meister zu studieren. Ralph Gleis: „Er geht auf den Balkon des Louvre und steht mit dem Rücken zur Geschichte, er sucht sich ein neues Sujet im Hier und Jetzt.“ Im Freien, von erhöhtem Standort aus, malt Monet das moderne Paris mit seiner neuen bürgerlichen Freizeitgesellschaft.
Zeitgenossen und Kollegen wie Camille Pissaro, Gustave Caillebotte, Maximilien Luc und Auguste Renoir ließen sich von Monet zu eigenen Stadtbildern inspirieren, wie die Ausstellung zeigt.
Blick aus der Vogelperspektive
Für die Präsentation der mit rund 25 Gemälden, ergänzt durch Fotos und Dokumente, konzentrierten Schau wurde die Impressionisten-Sammlung der Alten Nationalgalerie umgehängt. Die im Zentrum des Ausstellungssaals im zweiten Obergeschoss locker aufgestellten lindgrünen Metallstühle wecken Assoziationen mit den Tuilerien und laden dazu ein, die Gemälde aus der Distanz zu genießen.
Die Bilder der Monet-Serie hängen an der Rückseite des Saals, im Kabinett dahinter dokumentieren Pläne, Fotos und Bilder, die den Abriss des alten Paris zeigen, den gigantischen Umbau durch den Stadtpräfekten Georges-Eugène Haussmann: Ganze Quartiere werden abgerissen, mittelalterliche Kirchen, etwa Notre-Dame, von Randbebauung befreit und mit grünen Vorplätzen als Monumente inszeniert.
Die Ausstellung zeigt, wie Kollegen das Motiv der Stadt aufgreifen und weiterentwickeln. Dabei dominiert der Blick aus der Vogelperspektive. Camille Pissaro etwa malt die moderne Großstadt zur Rushhour von erhöhtem Standpunkt aus einem Hotel heraus. In seinem Bild wimmelt es von Passanten, die von oben gesehen wie Ameisen die Straßen queren, im Wechsel mit Lohnkutschen und Taxen.
Caillebotte radikalisierte die Perspektive
Gustave Caillebotte radikalisiert die Blickachsen und Perspektiven, indem er sich in einem der neuen Häuser im sechsten Stock einmietet und dort sein Atelier etabliert. Seine Arbeiten rahmen ein späteres Gemälde von Monet, „La Rue Montorgueil“ (1878), in dem dieser die steile Perspektive von Caillebotte aufnimmt. Er zeigt den Blick in die zum Nationalfeiertag in den Farben der Tricolore geschmückte Stadtschlucht, durch die fahnenschwenkende Menschenmassen wogen.
Den zeitlichen Bogen über 40 Jahre beschließen Gemälde der Kathedrale Notre-Dame von Henri Matisse (1859-1954) sowie des Postimpressionisten Maximilien Luce (1858-1941), der 35 Jahre nach Monet das Treiben vor der Kirche im späten Licht der Sonne ins Bild setzte.