Das internationale Festival Tage Alter Musik in Herne gibt sich in diesem Jahr selbstkritisch: Unter dem Motto „Die Welt und wir“ hinterfragt das Programm Muster kultureller Aneignung in musikalischen Stücken vom Mittelalter bis zur Klassik, wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) als Mitveranstalter in Köln ankündigte. Künstlerische Exzellenz werde auf diese Weise mit aktueller gesellschaftlicher Relevanz verbunden. Vom 13. bis zum 16. November stehen neun Konzerte auf dem Programm. Geboten würden betörende Klangwelten, erstklassige Live-Auftritte und spannende Gespräche zum Festival, hieß es.
Präsentiert werden unter anderem Klänge aus dem Baskenland, Kantaten aus dem kolonialen Lateinamerika und ein musikalischer Dialog zwischen osmanischer Militärmusik und sogenannter Wiener Türkenmode - ein Musikstil des 18. Jahrhunderts, der die europäische Faszination für osmanische Musiktraditionen widerspiegelt. Bei den Tagen Alter Musik sorgten seit 1976 jedes Jahr Ensembles aus Europa sowie Nord- und Mittelamerika für künstlerische Vielfalt in höchster Qualität und großer thematischer Spannbreite, erklärten die Veranstalter.
Kommerzialisierung, Exotismus und wertschätzende Inspiration
Kulturelle Aneignung werde immer dann problematisch, wenn sie mit Dominanz- und Verdrängungsbestrebungen einhergehe, auch in Form von Kommerzialisierung und Exotismus, heißt es in der Ankündigung. Dafür gebe es mittlerweile ein geschärftes Bewusstsein.
Doch nicht jede Auseinandersetzung mit dem Fremden sei eine Aneignung im negativen Sinn einer Bemächtigung: „Es kann sich darin auch eine wertschätzende Inspiration ausdrücken. Wer wollte etwa Mozarts bekanntes 'Rondo Alla Turca' ernsthaft als Beispiel eines eurozentristischen Dominanzbestrebens brandmarken?“ Es sei ein brillantes Klavierstück wie viele andere auch. Im Festival gehe es darum, produktive und künstlerisch reizvolle Aspekte musikalisch-kultureller Aneignungen aufzuzeigen, etwa am Beispiel der italienischen Oper.