Konfliktforscher fordert mehr Geld für Radikalisierungsprävention
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Konfliktforscher Andreas Zick
Bielefeld, Hannover (epd).

Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick warnt vor steigenden Radikalisierungsrisiken unter muslimischen Jugendlichen und fordert mehr Investitionen in politische Bildung und Prävention. Am Rande der Jahresveranstaltung des Kompetenzforums Islamismusprävention Niedersachsen am Montag in Hannover sagte Zick, Islamfeindlichkeit und gesellschaftliche Polarisierung erschwerten den Umgang mit religiöser Vielfalt zusätzlich. Rechtsextremismus bleibe aktuell die größte Gefahr.

Ein pauschales Urteil über den Islam als demokratiefeindlich weist Zick zurück. Es gebe politische und islamistische Strömungen, die Religion zur Legitimation von Gewalt nutzten. Zugleich zeigten Studien, dass konservative Muslime mit wachsendem Kontakt zu demokratischen Strukturen demokratische Werte zunehmend teilten. Historische Faktoren wie die Wahrnehmung muslimischer „Gastarbeiter“ als Fremde hätten jedoch langanhaltende Vorurteile gefestigt.

Das Islambild in der Bevölkerung werde weiterhin stark durch Stereotype geprägt, etwa in der Geschlechterfrage. Zwar existierten konservative Positionen, doch die Bedeutung entsprechender Gruppen werde überschätzt, sagte der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Junge Muslime unterschieden sich in Wertfragen kaum vom gesellschaftlichen Durchschnitt.

Islamismus und Rechtsextremismus verstärken sich gegenseitig

Mit Blick auf Extremismus verweist Zick auf wechselseitige Verstärkungseffekte zwischen islamistischen und rechtsextremen Gruppen. Während die Mehrheit der Bevölkerung den Rechtsextremismus als größte Gefahr wahrnehme, blieben islamistische Akteure „relevant und anpassungsfähig“. Influencer spielten in beiden Szenen eine zentrale Rolle bei Anwerbung und Selbstinszenierung.

Radikalisierung junger Muslime habe vielfältige Ursachen. Islamistische Gruppen sprächen besonders psychisch belastete Jugendliche an, die Orientierung suchten. Religion trete oft erst später in den Vordergrund. Auch Drogenhandel, Online-Gaming und neue Gruppenbildung seit dem Hamas-Angriff auf Israel könnten Radikalisierung begünstigen. Die Sicherheitsbehörden gehen laut Zick von mehr als 28.000 organisierten Islamisten aus.

Gesellschaftliche Ausgrenzung spiele eine große Rolle: Fehle jungen Menschen Anerkennung, könnten extremistische Angebote Zugehörigkeit und Selbstwert erzeugen. Laut dem Konfliktforscher sehen große Teile der Bevölkerung Schulen in der Pflicht, Vorurteile abzubauen. Die Toleranzkultur sei jedoch geschwächt, während Populisten davon profitierten. Schule und Jugendarbeit leisteten viel, stießen aber an Grenzen. Zick fordert daher eine stärkere und langfristige Förderung von Präventions- und Demokratieprojekten.

epd-Gespräch: Volker Macke