Wenn das Kaninchenbaby harte Jungs erweicht
Stier Medan mit Kindern
Nicht nur die Menschen genießen diese Momente – auch die Tiere lieben die Streicheleinheiten. Hier kuschelt der Zebu-Stier Medan mit Conny Schäfter und ihren beiden Nichten Mara (liegend auf Medan) und Lotte.
Jährlich besuchen 8.000 Kinder den «Bauernhof zum Anfassen»
Gomaringen (epd)

Es ist ein kleines Paradies, ein Ort, an dem Kinderherzen höherschlagen und Träume wahr werden: Der Kinderbauernhof am Brennlesberg in Gomaringen (Kreis Tübingen) feiert in diesem Herbst sein zehnjähriges Bestehen. Harte Jungs werden weich, wenn sie plötzlich ein Kaninchenbaby auf der Hand spüren. Ein Kind, das gemobbt wurde, gewinnt an Selbstvertrauen, wenn es ein Pferd führt. Ein Mädchen, das aufgrund einer schweren Behinderung kaum auf seine Umgebung reagiert, ahmt auf einmal das Schnattern der Gänse nach. Kindergruppen arbeiten zusammen, wenn es darum geht, Tiere zu versorgen und Ställe zu misten. Im Sommer Schweine abspritzen zu dürfen, macht den Kleinen großen Spaß und ist für die Tiere eine willkommene Abkühlung.

Zuweilen fließen Tränen im Ziegenstall, weil emotional etwas aufbricht. Medan, der Zebu-Stier mit dem schwarzen, glänzenden Fell, Hörnern und Nasenring legt sich irgendwann nieder und genießt es, wenn es sich Kinder auf seinem Rücken bequem machen. Mit ihm auf der Weide steht die asiatische Buckelrinderfamilie mit dem fünf Monate alten Kalb Mattis, vor dem man sich etwas in Acht nehmen sollte - es erprobt gerade seine jugendlichen Kräfte.

Conny Schäfer, Gründerin des Kinderbauernhofes, hat während ihrer Pubertät selbst erfahren, wie Tiere Balsam für die Seele sein können - manche Träne habe sie sich von den beiden Ponys oder dem Hund ihrer Eltern wegschlecken lassen. «Mit 18 hatte ich dann den Eindruck, dass Gott mir den Wunsch aufs Herz legt, nicht so privilegierten Kindern solch einen Erlebnisraum zu schaffen», erzählt die Erzieherin und Erlebnispädagogin.

Fast zwanzig Jahre dauerte es, bis möglich wurde, was lange unerreichbar schien. Der Besitzer des großen Geländes, das an das Zuhause von Conny Schäfers Familie angrenzte, wollte es als Bauland verkaufen - der 2014 gegründete kleine Verein bekam das Vorkaufsrecht. Dass die 660.000 Euro finanziert werden konnten mit Unterstützung vieler Spender und privater Darlehensgeber, ist für die dreifache Mutter ein Wunder und die Antwort auf viele Gebete.

Etwa 8.000 Kinder und Jugendliche besuchen den Kinderbauernhof pro Jahr zwischen Montag und Freitag. Außer Schäfer sind zwei hauptamtliche Sozialpädagoginnen im Einsatz, vier Personen, die im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes oder eines Freiwilligen ökologischen Jahres mitarbeiten, vor Kurzem wurde noch jemand für die Geländepflege eingestellt. Zudem bringen sich rund 50 Ehrenamtliche ein.

Mindestens einmal im Jahr besucht jedes Gomaringer Kind mit seiner evangelischen Kindergartengruppe oder Klasse der örtlichen Schloss-Schule den Bauernhof zum Anfassen. Im Rahmen der Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde dürfen zudem an zwei Vormittagen pro Woche ausgewählte Kindergartenkinder in der Kleingruppe Zeit mit den Tieren verbringen. An zwei weiteren Vormittagen können sich Kindergruppen aller Art anmelden. Nachmittags kommen einzelne Kinder im Stundentakt - viele von ihnen haben in ihrem jungen Leben schon viel Leid durchgemacht. Ohne Anmeldung vorbeikommen können große und kleine Tierfreunde zweimal im Monat beim Offenen Bauernhof.

Bereits seit der zweiten Woche nach Kriegsbeginn in der Ukraine ist der Kinderbauernhof an zwei Stunden wöchentlich gezielt Zufluchtsort für geflüchtete Kinder und deren Eltern. Denn auch für die Sorgen von Müttern und Vätern hat Conny Schäfer ein offenes Ohr, schenkt ihnen Wertschätzung, Zeit und Liebe.

Ein heiß begehrter Tauftermin sei der Gottesdienst, der jedes Jahr im Sommer im Rahmen des ökumenischen Projekts «Kirche im Dorf» auf dem Kinderbauernhof stattfindet, erzählt die evangelische Christin. Doch Gott begegnen kann man hier täglich - bei den Tieren wie in der auf einem Anhänger erbauten Kapelle, wo die Bibelgeschichte, in der Jesus die Kinder segnet, mit Figuren dargestellt ist.

Finanziert werden die monatlich benötigten 20.000 Euro größtenteils über Spenden von Besuchergruppen, Mitgliedern und Freunden des Vereins, beispielsweise mit Bauernhofpatenschaften.

 

Von Uta Rohrmann (epd)