«Nah dran am Kreislauf des Lebens»
Karl Beha in der Schlatchterei
Karl Beha portioniert Fleisch in der Schlachterei der Kommune Schafhof in St. Peter.
Tierwohl: Weniger Stress durch mobile Schlachteinheiten
St. Peter/Rottweil (epd)

Mehr Tierwohl, weniger Fleischkonsum - das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür wächst. Dabei geht es nicht nur darum, wie die Tiere gehalten werden, sondern auch um den Transport zu Schlachthöfen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kündigte zu Jahresbeginn an, sich mit Blick auf den Tierschutz für mobile Schlachtmöglichkeiten einsetzen zu wollen. Die Kommune «Schafhof» in St. Peter im Südschwarzwald hat den Weg zur tierwohlgerechten Haltung und zum Schlachten auf dem Hof bereits eingeschlagen.

Im Stall ist gerade Abkalbezeit. Mit gesenktem Kopf und drohendem Blick warnt eine Mutterkuh Nick Brinkmann davor, ihrem Kalb zu nahe zu kommen. Der 31-Jährige weiß die Körpersprache der Limousinrinder zu lesen und bleibt auf Distanz. Nach einer landwirtschaftlichen Lehre hat sich Brinkmann zum Leben in der Kommune entschieden. Die Mutterkuhhaltung ist mit 50 bis 80 Tieren das Herzstück des landwirtschaftlichen Betriebs, der seinen Namen «Schafhof» aus historischen Gründen trägt. Dass er die Tiere zuerst liebevoll aufzieht und dann - teilweise - selbst schlachtet, ist für Brinkmann kein Widerspruch. «Ich bin nah dran am Kreislauf des Lebens», sagt der gelernte Zimmermann.

Das landwirtschaftliche Kollektiv betreibt Nutztierhaltung. Ziel der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sei der wertschätzende Umgang mit Tier und Natur, so beschreibt der «Schafhof» sich selbst. Die hergestellten Nahrungsmittel sollten die Vorgaben für Tierwohl bestmöglich erfüllen, sagt Carlotta Hoffmann, die ebenfalls auf dem Schafhof lebt.

Die Tiere leben im Sommer auf der Weide, im Winter im Tretmiststall, wo sie sich frei bewegen können. «Der Familienverbund ist die artgerechteste Haltung», betont Hoffmann. Gleich neben dem Stall steht das Schlachthaus. Der kurze Weg verringert den Stress für die Tiere. Noch stressfreier wäre zwar der «Kugelschuss auf der Weide», erklären Brinkmann und Hoffmann. Die Alternative ist seit 2011 für Rinder gesetzlich erlaubt, vorausgesetzt sie leben ganzjährig auf der Weide.

Landwirten, die eine ganzjährige Weidehaltung aus Platzgründen nicht leisten können, bleibt als Möglichkeit zur stressfreien Schlachtung die mobile Schlachtung. Die «Interessengemeinschaft Schlachtung mit Achtung» hat dafür mobile Schlachteinheiten entwickelt. In einem Extragatter, dem «Fangstand», werden die Tiere gefüttert. Vor dem Bolzenschuss senkt sich ein Gitterbügel, während das Tier weiter frisst. Das durch den Schuss betäubte Tier wird mit dem fahrbaren Fangstand in die mobile Schlachteinheit befördert, wo geschlachtet wird und das Tier ausblutet.

Zehn dieser mobilen Schlachteinheiten gebe es deutschlandweit, sagt Sandra Kopf von der Interessengemeinschaft in den Landkreisen Rottweil und Lörrach. Allein drei stehen in Baden-Württemberg. Eine Schlachteinheit und fünf Fangstände hat sich etwa die Gemeinde Baiersbronn zugelegt. Die Fangstände verleiht die Kommune an Landwirte in der Umgebung. Mit ihrem Einsatz zur mobilen Schlachtung stößt Sandra Kopf viele Tierschützer vor den Kopf. Sie berichtet von Hass und Ablehnung. «Bei Demos für den Tierschutz wechselten radikale Tierschützer die Straßenseite, als sie mich sahen», erinnert sie sich.

Nutztierhaltung ist aus Sicht der Tierethikerin an der Universität Mannheim, Ursula Wolf, nicht grundsätzlich verwerflich. «Ich habe kein klares Argument, warum man Tiere nicht töten darf», sagt sie. «Tiere machen keine langfristigen Zukunftspläne und sie wissen nicht um die Tötung», begründet die Philosophin ihre Haltung. «Es gilt jedoch, die Tiere so zu halten, dass sie ein gutes Leben führen können», betont die Seniorprofessorin, die selber Vegetarierin ist. Dazu gehöre, dass die Tiere keine Schmerzen und keinen Stress erlitten. Massentierhaltung und Tiertransporte lehnt Wolf deshalb ab.

Sandra Kopf und Ursula Wolf halten «weniger Fleischkonsum» für geboten im Hinblick auf das Tierwohl. Kopf betrachtet die Schlachtung als «den sensibelsten Part der Kette» beim Tierschutz. Sie ist überzeugt: «Wenn ein Landwirt darüber nachdenkt, wie stirbt mein Tier, dann denkt er auch darüber nach, wie es lebt.» So wie es Nick Brinkmann und Carlotta Hoffmann tun, Tag für Tag mit ihren Tieren auf dem Schafhof.

 

Von Susanne Lohse (epd)