Jüdische Freunde und Helfer
Strobl, Flomenmann und Trebnik
V.l.n.r. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit den Polizeirabbinern Moshe Flomenmann und Shneur Trebnik beim Entzünden der Chanukka-Kerzen.
Seit über zwei Jahren arbeiten Polizeirabbiner im Südwesten
Stuttgart (epd)

Beim Einsatz von Polizeirabbinern ist Baden-Württemberg die Nummer eins in Deutschland. Das Innenministerium hat sie Anfang 2021 berufen, auf Empfehlung von Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung. Die Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden (IRG Baden) und Württemberg (IRGW) lief so gut, dass sich alle Beteiligten einig waren, sie nach den zunächst vereinbarten zwei Jahren fortsetzen zu wollen. Und nicht nur das: Andere Bundesländer haben die Initiative, die zur Stärkung der Polizei und des gesellschaftlichen Miteinanders beitragen will, mehr als interessiert zur Kenntnis genommen. Inzwischen hat auch Sachsen-Anhalt einen Polizeirabbiner.

Doch wer sind eigentlich die Polizeirabbiner im Südwesten und wie sieht ihr Alltag aus? Moshe Flomenmann stammt aus der Ukraine. Weitere internationale Erfahrungen konnte der Ortsrabbiner von Lörrach während Studienaufenthalten in Kopenhagen und Manchester sammeln. Der Ehemann von Rebbetzin Tova Flomenmann und zweifache Vater ist außerdem als Landesrabbiner für die zehn israelitischen Gemeinden in Baden zuständig.

Shneur Trebnik wurde von der IRGW im Jahr 2000 aus Israel ins Schwabenland geholt, um dort über ein Jahrzehnt lang landesweit beim Gemeindeaufbau zu helfen. Im Zusammenhang mit seiner Arbeit entstanden auch Kontakte zu Polizeidienststellen, die seinen Rat suchten. Der ehemalige Mathelehrer und ausgebildete Sanitäter ist verheiratet mit Chana Trebnik und achtfacher Vater. Inzwischen ist er Ortsrabbiner in Ulm.

Beide Rabbiner sehen die zusätzliche Tätigkeit bei der Polizei als Berufung, die ihnen Freude macht. Sie bereichern nicht nur das Unterrichtsangebot an den Polizeihochschulen in Lahr und Bruchsal, in Biberach und Herrenberg, sondern laden die Berufsanwärter auch in die Synagogen des Landes ein.

«Die jungen Leute stellen viele interessierte Fragen», freut sich Flomenmann. «Sehr viele bekommen nur über die Medien Informationen. Oder sie haben im Religionsunterricht mal was von den fünf Büchern Mose gehört, verbinden damit aber persönlich kaum etwas. Ich glaube und hoffe, dass die jungen Polizisten so nicht nur etwas über das Judentum lernen, sondern auch für sich persönlich etwas mitnehmen können», sagt Trebnik.

Dabei geht es den Rabbinern um mehr als reine Wissensvermittlung. «Über die Objekte in der Synagoge - den Thoraschrein, den siebenarmigen Leuchter oder die Chanukkiah - wird jüdisches Leben aus unserer Perspektive erlebbar. Menschen spüren: Judentum ist etwas Lebendiges, Dynamisches, kein Museum. Der Text in der Thorarolle hier ist identisch mit den Worten, die Mose vor Jahrtausenden aufgeschrieben hat», erklärt der württembergische Polizeirabbiner. «Durch persönliche Begegnungen entstehen Beziehungen zu Menschen», ergänzt der badische Polizeirabbiner.

«Wir sind als Vertrauenspersonen für die Menschen da sowie als Ansprechpartner und Ratgeber für alle Fragen rund ums Thema Judentum - egal, ob es sich um Unterstützung für eine Bachelor- oder Masterarbeit handelt oder um die Einordnung von Straftaten. Nur wenn die Beamten eine antisemitische Straftat als solche erkennen, kommt sie vor die Staatsanwaltschaft und dann vor Gericht», sagt Flomenmann. Dass sich umgekehrt jemand zu Unrecht auf jüdische Schriften beruft, um eine Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen, hat Rabbiner Trebnik auch schon erlebt: «Da habe ich dem Polizisten gesagt, dass mir die zitierte Stelle im Talmud nicht bekannt sei.»

Mehr als 1.700 Jahre besteht das Judentum in deutschen Landen. Es aus erster Hand kennenzulernen, ist nicht nur ein wichtiger Bildungsbestandteil und wirksames Mittel gegen Antisemitismus, sondern verbindet auch. «Wenn das Judentum verständlicher wird, gibt es weniger Trennendes», so Flomenmann, der sich mit seinem Kollegen als Brückenbauer versteht. Und schließlich gibt es kein Christentum ohne die Wurzelreligion Judentum, ohne die Zusage Gottes an Abraham, durch ihn alle Völker der Erde zu segnen.

Ein Segen nach jeder Woche voller Arbeit ist für die Polizei-, Landes- und Ortsrabbiner auch der Schabbat als Ruhetag, der hilft, dass ihnen die Prioritäten nicht verrutschen. «Nach dem Gottesdienst und gemeinsamem Mittagessen in der Gemeinde ist ausschließlich Zeit für die Familie - ohne Telefon und Handynachrichten», sagt Shneur Trebnik.

 

Von Uta Rohrmann (epd)