
Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ist für viele Menschen eine Herausforderung. Damit das gelingt, sei ein « Ausgleich, und zwar schon während des Berufslebens» nötig, sagte der Leiter der psychologischen Beratungsstelle der Evangelischen Kirche Mannheim, Bodo Reuser, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jahrzehntelang sei der Tagesablauf durch die Arbeit bestimmt. Das ändere sich mit dem Eintritt in den Ruhestand.
Die Gefühle, die beim Gedanken an den neuen Lebensabschnitt aufkämen, seien individuell verschieden. So sei der eine froh, dass er keine Pflichten und keinen Druck mehr durch zeitliche Vorgaben oder Vorgesetzte habe. Andere befürchteten, die Tagesstruktur zu verlieren, und wüssten die plötzlich verfügbare Zeit nicht zu nutzen, sagte der Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, der am Dienstag auch einen Vortrag zum Thema in der Johannis-Gemeinde Mannheim hielt.
Beide Positionen drücken laut Reuser eine Haltung gegenüber dem Leben aus - den Wunsch nach Selbstbestimmung oder den nach Halt. Wesentlich für den Übergang in den «anderen» Lebensabschnitt sei es, wie der Einzelne sein Leben schon vor dem Eintritt in den Ruhestand gestaltet habe. Wer nur für den Beruf gelebt habe, erlebe leicht einen Verlust an Selbstwert.
Die Arbeit sei in diesen Fällen «übergewichtig», das Leben einseitig ausgerichtet gewesen, erklärte Reuser. Wichtig sei es, schon während der Berufsphase einen gleichwertigen Ausgleich zu pflegen. Das könnten «Menschen, Hobbys, ein Tier, Sport oder Erlebnisse in der Natur» sein.
Um mit der Lebensphase «Beruf» abzuschließen, sei eine «saubere Bilanz» notwendig. Eine Abschlussfeier und eine Würdigung durch den Arbeitgeber könnten helfen, das Kapitel zu schließen. «Wer zu sehr im Vergangenen verhaftet bleibt, dem fehlt die Kraft für Neues,» betonte Reuser.
Er selbst mache keine Pläne für seinen Ruhestand Ende des Jahres. «Ideen» habe er schon, sagte der Psychologe: «Aber ohne Druck!» Zum Umgang mit der hinzugewonnenen Zeit plädiert er für Mut zur Langeweile: «Neugierig bleiben, den Übergang leben und sich darauf freuen».