Wenn der «Tatort»-Kommissar heimlich Haarbürsten klaut
Das Münster Ermittler-Duo des Tatorts
Wenn in der Münster Tatort-Sendung den Kommissar eine Haarbürste eingesteckt, ist es rechtlich nicht in Ordnung.
Jura-Professor knöpft sich Rechtsverletzungen von Ermittlern vor
Tübingen (epd)

Die Ermittler im Fernsehkrimi «Tatort» setzen sich laut einer Analyse des Jura-Professors Jörg Eisele oft über rechtliche Grundsätze von Strafverfahren hinweg. So würden vor der Vernehmung Beschuldigte und Zeugen nicht über ihre Rechte belehrt, sagte Eisele laut Redemanuskript am Montag bei einem Vortrag an der Universität Tübingen. Die Befragten erführen demnach nicht, dass sie sich nicht äußern müssten und vor der Vernehmung Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen könnten. «Schon die unterlassene Belehrung über das Schweigerecht kann freilich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren führen, mit der Folge, dass der Angeklagte gegebenenfalls freizusprechen ist», sagte der Rechtswissenschaftler.

Ähnlich sieht es laut Eisele bei psychischen oder körperlichen Misshandlungen von Tatverdächtigen durch Kriminalbeamte aus. Die Befragten dürften - anders als in einzelnen «Tatort»-Sendungen - weder angeschrien noch geschlagen werden. Andernfalls sei ihr Geständnis später nicht mehr verwertbar. Aussageerpressung sei ein Straftatbestand.

Wenn wie im Münsteraner «Tatort» «Eine Leiche zu viel» heimlich eine Haarbürste für eine DNA-Analyse eingesteckt werde, könne es sich um Diebstahl handeln. Dasselbe gelte für das Einziehen eines Mobiltelefons oder eines Computers. Dafür brauche es jeweils eine Beschlagnahmeanordnung.

Eine Psychotherapeutin, die im Kölner «Tatort» «Schlaf, Kindlein, Schlaf» den Kommissaren ohne Anlass detailliert Auskunft über die Krankheitsgeschichte eines Patienten gibt, begeht nach Auffassung des Juristen Geheimnisverrat. Dass sich im Konstanzer «Tatort» «Der schöne Schein» Beamte nicht an die territorialen Grenzen Deutschlands halten und auf eigene Faust in einer Schweizer Schönheitsklinik ermitteln, hält er ebenfalls für rechtswidrig.

Mit seiner Aufklärungsquote von fast 100 Prozent liegt der «Tatort» nach Eiseles Einschätzung allerdings nahe bei der Realität. Tatsächlich könnten bei Mord und Totschlag mehr als 90 Prozent der Fälle aufgeklärt werden. Eisele empfiehlt zu erforschen, inwieweit die Darstellung in den Kriminalfilmen das Bild der Zuschauer von Polizei und Justiz tatsächlich beeinflusse.

Der «Tatort» am Sonntagabend ist das beliebteste Krimi-Format im deutschen Fernsehen, die Zuschauerzahl betrug mehrfach über 10 Millionen. Seit dem Start der Reihe 1970 sind über 1.240 «Tatort»-Filme gesendet worden.

 

Von Marcus Mockler (epd)