Keine Gerichtsentscheidung über Reformschule
Jonathan Erz
Jonathan Erz, Vorsitzender der Landesvereinigung für dezentrales Lernen
Initiative will Kinder überwiegend zu Haus lernen lassen
Laichingen/Karlsruhe (epd)

Es ist vorbei, zumindest für die nächsten Jahre. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat eine Verfassungsbeschwerde der baden-württembergischen Landesvereinigung für dezentrales Lernen nicht zur Entscheidung angenommen. Damit ist der Versuch der Reforminitiative in Laichingen bei Ulm gescheitert, vom Staat als Ersatzschule anerkannt und auch entsprechend gefördert zu werden. Sechs Jahre nach Beginn der juristischen Auseinandersetzung ist der Verein damit zwar um Zehntausende Euro Anwalts- und Gerichtskosten ärmer, in der Sache aber keinen Schritt weitergekommen.

Die Schulen des Vereins bieten an nur einem Tag pro Woche Präsenzunterricht, an den anderen werden die Kinder über Internet und Telefon betreut. Das Regierungspräsidium in Tübingen hatte die Genehmigung dieses Formats abgelehnt und mit dieser Auffassung vom Verwaltungsgericht Sigmaringen Recht bekommen. In der Berufung scheiterte die Landesvereinigung auch vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Danach wollten sich weder das Bundesverwaltungsgericht noch das Bundesverfassungsgericht der Beschwerden gegen dieses Urteil annehmen.

Jonathan Erz, Vorsitzender der Landesvereinigung, ist enttäuscht. «Wir bemängeln, dass sich oberste Gerichte nicht mit den Inhalten unserer Klage befasst haben», sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Grundsatzfragen blieben ungeklärt, etwa: Was macht eine Schule aus? Wie viele Präsenztage sind erforderlich, um vom Staat als Ersatzschule anerkannt zu werden? Man habe beim Verwaltungsgerichtshof nicht einmal vortragen dürfen, das Recht auf Gehörtwerden sei verletzt worden.

Dabei schien es, als habe die Zeit für die Reformschule gespielt. Corona hat den Schulunterricht in den eigenen vier Wänden salonfähig gemacht. Im Lockdown war viele Monate das virtuelle Klassenzimmer in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der Verein auf der Schwäbischen Alb hatte schon vor der Pandemie auf das Büffeln zu Hause gesetzt und musste sich kaum umstellen.

Die Reformer wollten 2014 vom Regierungspräsidium Tübingen eine Grundschule sowie eine Haupt- und Werkrealschule zugelassen bekommen, in denen dezentrales Lernen praktiziert wird. In Laichingen arbeitet seit neun Jahren eine Ergänzungsschule nach dem sogenannten Uracher Plan, an dem unter anderem der frühere Bildungsdezernent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Werner Baur, sowie die Pädagogikprofessoren Hartmut von Hentig und Hans Alois Schieser mitgearbeitet hatten. Laut Schulleitung hat man sowohl mit den Leistungen als auch mit dem Sozialverhalten der Schüler positive Erfahrungen gemacht.

Die Richter haben in ihren Urteilen und Beschlüssen dagegen deutlich gemacht, dass sie bei dezentralem Lernen die gesetzliche Schulpflicht als nicht erfüllt betrachten. Zur Bildung gehöre auch das Lernen in sozialer Gemeinschaft - und das sei bei nur einem Präsenztag nicht gewährleistet. Außerdem sehen sie die herausragende Bedeutung der Eltern für den Lernerfolg als kritisch an, da diese in der Regel keine pädagogische Ausbildung hätten.

Die Vereinigung will nach der juristischen Schlappe nun ihre Ergänzungsschule in Laichingen, die «Dietrich Bonhoeffer Internationale Schule», weiterbetreiben. Sie bereitet auf internationale Abschlüsse vor. Die Kinder lernen dezentral, müssen sich aber einer zentralen Abschlussprüfung stellen. Das hat laut Jonathan Erz bislang bestens funktioniert. So konnte etwa eine seiner Töchter dadurch die Hochschulreife erlangen und studiert inzwischen an der Universität in Ulm.

Erz ist kein Ideologe. «Für zwei Drittel der Kinder ist eine reguläre Schule besser», sagt er. Doch er sieht nicht ein, warum dem letzten Drittel vom Staat verwehrt wird, was in praktisch allen Ländern der Welt - auch in Europa - möglich ist.

 

Von Marcus Mockler (epd)