Der Publizist Micha Brumlik ist tot. Der Erziehungswissenschaftler sei am Montag nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben, teilte das Fritz Bauer Institut am Dienstag in Frankfurt am Main mit. Der Sohn jüdischer Eltern hatte sich in vielen öffentlichen Debatten zu Wort gemeldet. „Die deutsch-jüdische Geschichte und Gegenwart nach dem Holocaust beschäftigte ihn zeitlebens - als Wissenschaftler, Publizist und Intellektueller“, erklärte das Forschungszentrum zur Geschichte des Holocaust über seinen früheren Direktor.
Geburt im Exil
Brumlik wurde am 4. November 1947 als Kind seiner vom NS-Regime verfolgten Eltern im schweizerischen Davos geboren und lebte seit Anfang der 1950er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Er studierte Philosophie und Pädagogik in Jerusalem und Frankfurt.
Von 1981 bis 2000 lehrte er Erziehungswissenschaft in Heidelberg, von 2000 bis 2013 war er Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts. Seit 2013 engagierte er sich als Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin/Brandenburg.
Das Fritz Bauer Institut würdigte seinen früheren Direktor. Er habe dessen Entwicklung geprägt. Nach dem Umzug der Einrichtung ins I.G. Farben Haus habe sich Brumlik für einen angemessenen Umgang mit dem historischen Ort eingesetzt. Während seiner Amtszeit organisierte er ein Häftlingstreffen, initiierte Ausstellungen etwa zum Auschwitz-Prozess und legte den Grundstein für die spätere Professur zur Holocaust-Forschung.
Holocaustforscher
Brumlik publizierte unter anderem zur Geschichte des Judentums und zeitgenössischen jüdischen Themen und war Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik“. Von 1989 bis 2001 war er Stadtverordneter in Frankfurt am Main und gehörte zu den Unterzeichnern der 2021 veröffentlichten „Jerusalemer Erklärung“, in der mehr als 200 internationale Holocaustforscherinnen und -forscher eine neue Definition von Antisemitismus fordern. Brumlik war zudem Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille.
Er gehöre einer Generation von jüdischen Nachgeborenen an, „die im Exil der Eltern das Licht der Welt erblickt hatten, aber nach der Rückkehr der Eltern in der alten Bundesrepublik aufgewachsen sind“, heißt es in einem in der „Jüdischen Allgemeinen“ (Dienstag) veröffentlichten Nachruf des Historikers Julius H. Schoeps: „Micha Brumlik war dogmatisch nicht festgelegt, sondern stets bemüht, die Argumente des anderen ernst zu nehmen, auch wenn er gegenteiliger Ansicht war.“
Der Politikwissenschaftler Schoeps ist Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam.