
Der Bremer Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein begrüßt den fraktionsübergreifenden Vorstoß in der Bremischen Bürgerschaft für einen kritischen Blick auf den ethisch umstrittenen vorgeburtlichen Trisomie-Bluttest als Kassenleistung. „Heute ist klarer denn je, dass wir Regelungen für einen rechtlich abgesicherten und ethisch vertretbaren Umgang mit dem Test dringend benötigen“, erklärte Frankenstein am Montag. Das zeigten auch erste Erkenntnisse aus der Praxis in Bremen seit Einführung der Kassenleistung.
SPD, Linke, Grüne, CDU und FDP in der Bremischen Bürgerschaft fordern den Bremer Senat in einem gemeinsamen Antrag auf, im Zusammenhang mit dem Bluttest eine Bundesratsinitiative zu starten. Dabei geht es im Kern um zwei Aspekte: Die Folgen der Kassenzulassung der nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) sollen beobachtet werden. Außerdem soll ein interdisziplinäres Gremium mit Expertinnen und Experten eingerichtet werden, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung des Tests prüft.
Seit Juli vergangenen Jahres bezahlen die Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen einen vorgeburtlichen Bluttest auf Trisomien wie das Down-Syndrom (Trisomie 21). Hintergrund ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der über Kassenleistungen entscheidet. Demnach werden die Kosten in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung übernommen. Zuvor mussten sie privat getragen werden.
Bis zur Zulassung der Bluttests im Jahr 2012 war die Erkennung einer Trisomie nur über eine Fruchtwasser- oder Plazenta-Untersuchung möglich, die ein hohes Risiko für Fehlgeburten bergen. Diese sogenannten invasiven Untersuchungen wurden in begründeten Fällen schon vor dem Juli 2022 von den Krankenkassen bezahlt.
Frankenstein zufolge soll der interfraktionelle Antrag in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 22. oder 23. März abschließend beraten werden. In dem Antrag heißt es, in Bremen habe es mit der Kostenübernahme eine Zunahme von risikoreicheren invasiven pränataldiagnostischen Untersuchungen zur Abklärung eines positiven NIPT-Befundes geben. Außerdem sei eine 30-prozentige Quote von falsch-positiven NIPT-Befunden festzustellen. Gerade bei jüngeren Schwangeren trete ein falsch-positives Testergebnis häufiger auf und bedürfe einer zusätzlichen diagnostischen Abklärung.
In dem interfraktionellen Papier heißt es weiter, in Nachbarländern, in denen der NIPT bereits länger als Kassenleistung zugelassen sei, kämen bereits deutlich weniger Kinder mit Trisomie 21 zur Welt als statistisch erwartet. „Medizinische Verbände und Fachgesellschaften, Hebammen-, Wohlfahrts-, Beratungs- und Behindertenverbände sowie kirchliche Institutionen teilen daher die Sorge, dass langfristig die Stigmatisierung von Familien mit Kindern mit Trisomie 21 zunehmen und Unterstützungsangebote reduziert werden könnten.“
Frankenstein sagte dazu: „Menschen mit Behinderungen dürfen unter keinen Umständen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Wir müssen eine inklusive Gesellschaft werden.“