Die Möglichkeiten des hessischen Verfassungsschutzes beim Einsatz verdeckter Ermittler und von Telefonüberwachung müssen eingeschränkt werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärte Teile des Landesgesetzes für verfassungswidrig.
Karlsruhe, Wiesbaden (epd). Das hessische Verfassungsschutzgesetz ist in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht wertete in einem am 17. September veröffentlichten Beschluss zahlreiche Regelungen zum Einsatz von V-Leuten und zur Überwachung von Mobilfunkgeräten durch das Landesamt als verfassungswidrige Einschränkung der Persönlichkeitsrechte (AZ: 1 BvR 2133/22). Auch die Bestimmungen zur Weitergabe von Informationen an Strafverfolgungsbehörden wurden beanstandet und in Teilen für nichtig erklärt.
In dem Gesetz fehlten hinreichende „Eingriffsschwellen“ für weitreichende Eingriffe in die Grundrechte der überwachten Personen, stellten die Richter des Ersten Senats klar. Um etwa eine Ortung des Mobiltelefons zu rechtfertigen, müsse eine „gesteigerte Beobachtungsbedürftigkeit“ vorliegen. Insbesondere gelte dies bei langanhaltenden Überwachungsmaßnahmen. Dieser Vorgabe genüge das Landesgesetz nicht. Die beanstandeten Passagen des Gesetzes müssen nach Vorgabe des Gerichts bis Ende 2025 geändert werden.
Gegen das hessische Verfassungsschutzgesetz waren bereits im Jahr 2019 mehrere Einzelpersonen mit Unterstützung der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF) vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Unter ihnen sind die Kasseler Aktivistin Silvia Gingold, die wegen ihrer Verbindung zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die Ziel von Drohmails mit der Unterschrift „NSU 2.0“ war.
Das hessische Verfassungsschutzgesetz wurde zuletzt 2023 geändert, nachdem das Bundesverfassungsgericht Bestimmungen des bayerischen Landesgesetzes in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Auch die Nachbesserungen reichten nicht aus, um vor den Karlsruher Richtern standzuhalten.
„Der lange Atem für die Grundrechte lohnt sich“, kommentierte der GFF-Verfahrenskoordinator David Werdermann die Entscheidung. Das Bundesverfassungsgericht habe den hessischen Verfassungsschutz in die Schranken gewiesen und seine grundrechtsfreundliche Rechtsprechung zu den Geheimdiensten gefestigt.
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte am 17. September eine fristgerechte gesetzliche Neuregelung zu. Die Gerichtsentscheidung sei zu respektieren, heißt es in einer Presseerklärung. Zugleich machte Poseck deutlich, dass er sich einen anderen Ausgang des Verfahrens gewünscht hätte: „Gerade in der heutigen Zeit vielfältiger Bedrohungen von innen und außen durch Extremismus, Terrorismus und Spionage brauchen wir gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, die über die notwendigen Befugnisse verfügen.“
Gerichtsentscheidung: http://u.epd.de/35dj