Wunderwerke der Technik in der Antike
Frankfurter Liebieghaus zeigt "Maschinenraum der Götter"

Wunderwerke der Technik gibt es nicht erst seit der Neuzeit: Automaten und komplexe astronomische Messgeräte wurden schon in der griechischen Antike und in der mittelalterlichen islamischen Welt gebaut. Eine Ausstellung in Frankfurt lässt staunen.

Frankfurt a.M. (epd). In den golden glänzenden Messingscheiben sind feine Linien und Zeichen eingraviert. Die Scheiben können in einen Rahmen mit Zeigern eingesetzt und gedreht werden. Sie stellen die Projektion des Himmelsglobus in eine handtellergroße Fläche dar. Das Astrolabium ist ein Präzisionsmessgerät des syrischen Astronomen Ahmad ibn as-Sarrag von 1328/29 zur Bestimmung der Uhrzeit und Sterne. Kunst und Technik verschmelzen miteinander und verblüffen mit ihrem hohen wissenschaftlichen Kenntnisstand.

Die Ausstellung „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ in der Liebieghaus-Skulpturensammlung in Frankfurt am Main vom 8. März bis 10. September will die Verbindung zwischen Kunst und Technik über fünf Jahrtausende hinweg aufzeigen. Das Astrolabium ist eines von 97 Werken aus vor allem antiken, arabischen und asiatischen Kulturen. Der Sammlungsleiter und Archäologe Vinzenz Brinkmann ist über eine Weltpremiere entzückt: Die erste mediale Präsentation des „Mechanismus von Antikythera“ nach der Entschlüsselung seiner Wirkweise.

Es sei „das größte technische Wunder der Antike“, schwärmt Brinkmann. „Das ist so, wie wenn man das Grab von Tutenchamun öffnet und ein Düsenflugzeug findet.“ Forscher hatten Jahrzehnte über die Eigenart des vor 120 Jahren von griechischen Schwammtauchern gefundenen Bronzeklumpens gerätselt. Erst jüngst habe ein Forschungsteam um den Londoner Mathematiker Tony Freeth durch computertomografische Aufnahmen der Bruchstücke das Geheimnis des Mechanismus gelüftet. Die Schau erklärt mit Filmen und Animationen an den Wänden, dass es sich nach den Worten von Brinkmann um einen „antiken analogen Computer“ handelt.

Die Rechenmaschine bestehe aus derart raffiniert angeordneten Zahngetrieben, dass sie den Lauf von Himmelskörpern mit allen Anomalien für die nächsten 70 Jahre vorausberechnen konnte. Das Erstaunen über den Stand von Wissenschaft und Technik in der Antike und in den islamisch regierten Reichen des Mittelalters ist Prinzip der Ausstellung. Mit dem Blick in den Himmel habe das wissenschaftliche Denken begonnen. Die Bewegungen der Planeten und Sterne seien das Vorbild für die Entwicklung der künstlichen Mechanik gewesen.

Archimedes von Syrakus (um 287 bis 212 v. Chr.) baute ein Modell der Himmelswelt in Kugelform, die Schau zeigt einen Nachbau. Der „Sphaira“ (Kugel) genannte Apparat habe, angetrieben durch Gewichte oder Wasserkraft, zu jeder Zeit die Position der Planeten und Fixsterne von der Erde aus gesehen angezeigt. In der Ausstellung trägt die römische Marmorstatue des Atlas Farnese einen Himmelsglobus mit 41 abgebildeten Sternbildern. Brinkmann nimmt aufgrund von Funden und Quellen an, dass das bronzene griechische Original eine Skulptur war, die sich in 24 Stunden um die eigene Achse drehte. Dabei habe die astronomische Uhr angezeigt, wie die Planetenbahnen sich in Echtzeit bewegten.

Weitere Erfindungen führen durch die Jahrhunderte. So zeigt ein Modell die Camera Obscura, die der Kairoer Optiker und Astronomen Ibn al-Haitan (um 965 - nach 1040) erfand. Er erzeugte „das erste technische Bild“ und bewies, dass Lichtstrahlen geradlinig verlaufen. Ein etwa 1,5 Meter langes Fernrohr präsentiert die Erfindung der Linsenfernrohre im 17. Jahrhundert durch holländische und deutsche Brillenmacher. Sie ermöglichten unter anderem Galileo Galilei (1564-1642), das heliozentrische Weltmodell durch Beobachtung zu beweisen. Ab dem 18. Jahrhundert stießen Automaten die Industrialisierung an. Mit Lochkarten programmierte Webstühle nahmen in Frankreich die Produktion auf.

Prominentes Werk der Gegenwartskunst ist die erste Präsentation von „Apollo Kithara“ des US-amerikanischen Künstlers Jeff Koons. Er bildete eine Marmorstatue des musizierenden Apoll nach, malte sie nach den Forschungsergebnissen Brinkmanns bunt und versah sie mit einer animierten Schlange, die den Kopf bewegt und züngelt. Ein Kunstwerk, zu dessen Technik auch die Griechen fähig gewesen wären, wie die Schau beweist.

https://liebieghaus.de/de/maschinenraum-der-goetter

Von Jens Bayer-Gimm (epd)