Kaum jemand in Mainz kennt den Ort, wo einst auf einer Anhöhe am Rhein das Kartäuserkloster stand. Dabei war es unter Reisenden des 18. Jahrhunderts legendär - wegen seiner prächtigen Barockausstattung und der dort herrschenden harten Ordensregeln.
Mainz (epd). Für den preußischen Schriftsteller Karl Ludwig von Pöllnitz war es „eines der schönsten und sehenswürdigsten Klöster in Europa“. Zeitgenössische Reisende schwärmten von der Aussicht vom Mainzer Kartäuserkloster hinunter auf den Zusammenfluss von Rhein und Main. „Die Beschreibungen des Klosters und seiner Ausstattung waren hymnisch“, sagt Winfried Wilhelmy, Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums. Er widmet dem untergegangenen Mainzer Kartäuserkloster eine umfangreiche Sonderausstellung.
Die Schau wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Kartäuser, einen Orden, der im 11. Jahrhundert von dem Mönch Bruno von Köln gegründet wurde und der bis heute für seine besonders harten Ordensregeln bekannt ist. Denn die Kartäusermönche leben zwar auf einem gemeinsamen Klosterareal, verbringen ihr Leben jedoch überwiegend schweigsam. Einen Großteil des Tages halten sie sich in ihren kargen Mönchszellen auf, die sie meist nur für Gottesdienste und Chorgebete verlassen. Kontakte zur Außenwelt und Informationen über das Geschehen jenseits der Mauern gibt es ausschließlich über den Klostervorsteher. Viele Kartäusermönche seien mit diesen Regeln nicht klargekommen, nicht wenige seien im Laufe der Zeit dem Wahnsinn verfallen, berichtet Wilhelmy.
Dennoch verbreitete sich der Orden von einer ersten Einsiedelei in den französischen Alpen ausgehend im Mittelalter zunächst im ganzen westlichen Europa. Das vor 700 Jahren gegründete Mainzer Kartäuserkloster war das erste auf deutschem Boden. Südlich der damaligen Stadtgrenze entstand es auf einer terrassenartigen Anhöhe. Da bekannt war, dass die Kartäuser Tag und Nacht für das Seelenheil ihrer Förderer beteten, brachte es das Kloster schnell zu großem Reichtum. „Das war das sehr erfolgreiche Geschäftsmodell der Kartäuser“, sagt Ausstellungskurator Gerhard Kölsch.
Mit der Sonderausstellung gelingt das Kunststück, einen verschwundenen Teil der Kirchen- und der Mainzer Stadtgeschichte darzustellen. Denn bereits 1781 war das Kloster aufgelöst worden - auf Anordnung des damaligen Mainzer Kurfürsten von Erthal. Der ließ das prunkvolle Inventar aus der Barockzeit versteigern, um damit ganz im Sinne der Aufklärung den Ausbau der Mainzer Universität zu finanzieren. Die Klosterbauten wurden danach abgerissen - zugunsten eines Landschaftsparks für ein nahegelegenes kurfürstliches Lustschloss, der aufgrund der beginnenden politischen Wirren aber nicht mehr fertiggestellt wurde.
Als Folge der Auflösung landeten beispielsweise die Marmoraltäre in anderen Kirchen der Region, das einzigartige Chorgestühl - einst beschrieben als „Wunderwerk der Schreinerkunst“ - ging an den Trierer Dom. Vom ehemals reichhaltigen Klosterschatz hätten Forscher lediglich zwei Goldschmiedearbeiten auffinden können, berichtet Kurator Kölsch - eine Monstranz und einen Abendmahlskelch, die in einer kleinen Pfarrei in Thüringen landeten. Sie sind in Mainz ebenso zu sehen wie mehrere großflächige Gemälde, die einst den Kreuzgang des Klosters schmückten. Von den 80 überlieferten Bildern existieren noch 21 - was bislang selbst unter Fachleuten unbekannt gewesen sei. Allerdings sind die meisten in einem schlechten Zustand.
Besser erhalten blieb die Handschriftensammlung des Klosters. „Die Mainzer Kartause hatte eine sehr große, reich ausgestattete Bibliothek“, sagt Kölsch. Von den bis zum späten Mittelalter angesammelten 1.500 Handschriften lagerten noch über 600 in der Mainzer Stadtbibliothek. Einige sind nun ebenfalls zu sehen.
Im 21. Jahrhundert leben nur noch wenige Menschen nach den Regeln der Kartäuser. Die allermeisten der einst über 200 Klöster wurden bereits vor langer Zeit aufgegeben. Das letzte noch von Mönchen bewohnte in Deutschland ist die Kartause Marienau im Landkreis Ravensburg.
Dommuseum Mainz: http://u.epd.de/2psp