Hat sich ein Arzt seine Approbation durch falsche Zeugnisse erschlichen, kann das Krankenhaus für die durchgeführten Behandlungen keine Vergütung verlangen, urteilte das Landessozialgericht Essen.
Essen (epd). Krankenhäuser können für die Behandlung von Patienten durch einen falschen Arzt keine Vergütung von der Krankenkasse verlangen. Selbst wenn der vermeintliche Arzt bei seiner Einstellung eine echte Approbationsurkunde vorgelegt hat und ein chirurgischer Eingriff bei einer Versicherten komplikationslos geblieben ist, besteht insgesamt kein Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung, wenn der Arzt sich diese Approbation durch falsche Zeugnisse erschlichen hat, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 18. Oktober veröffentlichten Urteil.
Die Essener Richter schlossen sich damit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel an. Unerheblich sei hierbei auch, ob die erbrachten medizinischen Leistungen durch den falschen Arzt mangelfrei gewesen seien.
Krankenkasse zahlte zunächst
Konkret ging es um ein Krankenhaus im Raum Aachen, welches 2009 einen vermeintlichen Arzt angestellt und zunächst als Assistenzarzt beschäftigt hatte. Später wurde dieser als Facharzt im Bereich Viszeralchirurgie eingesetzt, also für Eingriffe im Bauchraum.
Im Streitfall ging es um eine vom 15. bis zum 25. Juli 2014 stationär aufgenommene Patientin nach abgeschlossener Chemotherapie. Der Arzt hatte bei ihr operativ einen künstlich angelegten Darmausgang rückverlegt. Der Eingriff verlief komplikationslos, die Patientin wurde aus der Klinik bei gutem Allgemeinzustand entlassen. Das Krankenhaus stellte für die Behandlung der Versicherten der Krankenkasse 4.553 Euro in Rechnung, die auch bezahlt wurden.
Doch dann stellte sich heraus, dass der behandelnde Arzt zwar ein fast vollständiges Medizinstudium hinter sich, dann aber die Abschlussprüfungen nicht abgelegt hatte. Die Approbation, die er sich mit gefälschten Zeugnissen beim Regierungsbezirk Köln erschlichen hatte, widerrief die Behörde im November 2015.
Bewährung für Körperverletzungen
In den sechs Jahren davor hatte er 336 Operationen vorgenommen. Beanstandungen durch Patienten wurden nicht bekannt. Dennoch wertete das Amtsgericht Düren die Eingriffe durch den „Nichtarzt“ als Körperverletzung in 336 Fällen und verurteilte den Mann zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten.
Die Krankenkasse der Versicherten forderte daraufhin vom Krankenhaus die Erstattung der gezahlten Vergütung für den operativen Eingriff zurück. Nach dem rechtskräftigen Strafurteil habe es sich um Körperverletzung gehandelt. Dafür dürfe und müsse die Versichertengemeinschaft nicht aufkommen. Weitere Krankenkassen hatten wegen der vom vermeintlichen Arzt durchgeführten Behandlungen ebenfalls von dem Krankenhaus gezahlte Vergütungen zurückgefordert, insgesamt mehr als 1,5 Millionen Euro.
Anspruch der Krankenkasse gerechtfertigt
In einem Parallelfall zu demselben Krankenhaus und falschem Arzt hatte das BSG am 26. April 2022 geurteilt, dass dem Krankenhaus keine Vergütung zusteht, auch wenn der Arzt bei seiner Einstellung eine echte Approbationsurkunde vorgelegt habe. Mit dem Widerruf der Approbation aufgrund der gefälschten Zeugnisse bestehe rückwirkend ein Anspruch auf Erstattung der von der Krankenkasse geleisteten Vergütung. Denn die Krankenkasse habe die Vergütung ohne Rechtsgrund gezahlt.
Das Gesetz sehe eine Vergütung nur für Krankenhausbehandlungen durch Ärzte vor. Dies sei ein „wesentlicher Bestandteil des Qualitätsgebots“. Das Krankenhaus könne allenfalls eine Vergütung für Behandlungsabschnitte verlangen, an denen der vermeintliche Arzt nicht beteiligt war, etwa bei einer weiteren Erkrankung oder nach einer Verlegung in eine andere Abteilung.
Az.: L 5 KR 347/22 KH (Landessozialgericht Essen)
Az.: B 1 KR 26/21 R (Bundessozialgericht)