Unter Druck. Eine Tagung zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen

epd Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war selten so unter Druck wie zurzeit. Im vergangenen Jahr haben der Skandal um Vetternwirtschaft beim Rundfunk Berlin-Brandenburg und das Versagen der Aufsicht gezeigt, dass das System dringend reformbedürftig ist. Zugleich erhöht die Politik den Druck von außen. Einige Ministerpräsidenten haben sich bereits darauf festgelegt, dass sie eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2025 nicht mittragen werden. Und auch die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden lauter, die seine Abschaffung fordern.

Im Februar und März dieses Jahres gab es zwei Tagungen, die sich grundsätzlich mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigten. Die Konferenz „Neustart ÖRR: Wie weiter mit 'unseren Medien'?“, die das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) gemeinsam mit der Schöpflin Stiftung und der Initiative „Unsere Medien“ im Februar in Berlin organisierte, haben wir in epd 20/23 dokumentiert.

Wenige Wochen später fand die Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema „Öffentlich-Rechtliche im Brennpunkt“ statt. Moderiert wurde die Tagung, die wir in dieser Ausgabe dokumentieren, vom ehemaligen Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) Roger de Weck. Der Journalist ist seit 2022 Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing. Wenige Tage vor Beginn der Tagung wurde bekannt, dass er auch in den Zukunftsrat berufen wurde, den die Bundesländer eingesetzt haben. Medienstaatssekretärin Heike Raab erklärte, die acht darin versammelten Expertinnen und Experten sollen die Rundfunkkommission beraten, wie die Strukturen und die Zusammenarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks optimiert werden können und die Beitragsstabilität gesichert werden kann.

Bei der Tagung sprachen der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke und der ehemalige ZDF-Chefredakteur Peter Frey über die Reformen, die bei ARD und ZDF bereits im Gange sind. Gniffke kündigte an, die ARD wolle in den kommenden Jahren mehrere Hundert Millionen Euro in die Entwicklung von Technologie investieren und das gemeinsame Streaming-Netzwerk mit dem ZDF ausbauen. Frey wandte sich gegen den Vorwurf, dass es zu wenig Meinungsvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Medien gebe, forderte aber, dass sie sich an alle Bevölkerungsgruppen „in diesem bunt gewordenen Deutschland“ richten müssten.

Mit dem evangelischen Medienbischof Volker Jung, dem Philosophen Richard David Precht, dem Schweizer Medienwissenschaftler Mark Eisenegger, der Medienjournalistin Aurelie von Blazekovic und dem Kommunikationsberater Johannes Hillje sprach de Weck über die Stärken und Schwächen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die vorliegende Dokumentation umfasst die meisten Beiträge der Tagung. Die Gespräche wurden behutsam redigiert und an wenigen Stellen leicht gekürzt.

Kirchenpräsident Jung sagte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse ein umfassendes Angebot machen, er dürfe sich nicht nur auf Bildung und Information konzentrieren. Precht wünschte sich, dass die Öffentlich-Rechtlichen Selbstkritik stärker in das Mediensystem einbauen. Nach Meinung von Hillje sollten sie dazu beitragen, eine europäische Öffentlichkeit herzustellen. Eisenegger wies darauf hin, dass die Mediennutzung junger Menschen sich extrem reduziert habe. Die Öffentlich-Rechtlichen müssten daher versuchen, junges Publikum auf sozialen Plattformen anzusprechen und es auf ihre eigenen Plattformen zu lenken, wo die langen Erklärstücke seien. Von Blazekovic forderte die Sender auf, das Publikum ernst zu nehmen und öfter etwas Neues auszuprobieren.

Aus epd medien 36/23 vom 8. September 2023

Diemut Roether