epd „Wo ist die alte weiße Frau?“ fragte vor zwei Jahren die „Zeit“-Redakteurin Stefanie Flamm und schilderte in ihrem Artikel die Schwierigkeit, erfolgreiche Frauen über 50 zu finden, die bereit waren, mit ihr über dieses Thema zu sprechen: wie sie als Frauen es geschafft haben, bis ins Alter erfolgreich und mächtig zu sein.
Ja, weiß der Teufel, wo die alte weiße Frau ist. Besser gesagt: Der alte weiße Mann müsste eigentlich sehr genau wissen, warum es so wenig Frauen gibt, die in seinem Alter zufrieden auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken können und zugleich immer noch so mächtig und einflussreich sind wie er. Denn Männer haben in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich daran gearbeitet, ältere weiße Frauen von der Bildfläche verschwinden zu lassen.
Da sind zum Beispiel die Fernsehredakteure, die sich vor zwei oder drei Jahrzehnten noch lautstark darüber aufregten, wenn plötzlich eine Auslandskorrespondentin in ihrem Alter auf dem Bildschirm erschien: „Wer will die Alte denn noch sehen?“, war in solchen Fällen noch ein freundlicher Kommentar. Inzwischen sagt die neue Generation der Fernsehredakteure: „Wir brauchen jüngere Gesichter, wir wollen ja auch das junge Publikum erreichen“ - und schon wundert sich kaum noch jemand darüber, dass so wenig Frauen über 50 im Fernsehen zu sehen sind. Und männliche Chefs, die sich gern damit brüsten, Frauen zu fördern, haben darunter seit jeher die Förderung von Frauen unter 35 verstanden.
Eine Studie der Universität Rostock stellte im vergangenen Jahr fest, dass der Anteil an Frauenfiguren im Film, die älter als 50 sind, stark abnimmt: In dieser Altersgruppe werden 70 Prozent der zentralen Filmrollen von Männern verkörpert.
Eine von der Journalistin Silke Burmester gemeinsam mit zahlreichen Schauspielerinnen ins Leben gerufene Initiative fordert jetzt mehr Sichtbarkeit und vor allem zeitgemäßere Rollenbilder für Frauen über 50. Im Fernsehen sehe sie ihre Altersgenossinnen entweder als „verbitterte, traurige Frauen, vom Mann und dem Leben enttäuscht“ oder als „fröhliche Oma auf dem Weg zu den Enkeln, die sie 'brauchen'“ schreibt Burmester. Dabei hätten die Frauen in ihrem Bekanntenkreis vielfältigere Lebensentwürfe als die Frauen in den Fernsehfilmen.
Wenn das ZDF jetzt ankündige, dass es das Geld, das es bisher in Programm für die Älteren gesteckt habe, verwenden wolle, um Programm für jüngere Menschen zu machen, sei das „dumm“, schreibt Burmester. Ein Ausspielen der Alten gegen die Jungen sei das Gegenteil von dem, was die Gesellschaft brauche: „Wir brauchen das 'Wir', das Miteinander. Mehr denn je.“
Traurig genug, dass Fernsehredaktionen im Jahr 2023 allen Ernstes immer noch glauben, das konventionelle Frauenbild, das sie in ihren Freitags- oder Sonntagsproduktionen präsentieren, würde die Frauen ab 50 ansprechen. Und traurig ist auch, dass die wenigen Frauen, die mit über 50 noch auf dem Bildschirm zu sehen sind, sich häufig schier übermenschlich anstrengen, um jünger auszusehen.
Doch während wir heute für viele Formen von Diskriminierung sensibilisiert sind, ist Altersdiskriminierung - oder sollten wir besser sagen „ageism“? - geradezu gesellschaftlich anerkannt. Männer über 50, die noch ein bisschen hip sein wollen, beschreiben sich gern selbstironisch als „alte weiße Männer“. Frauen fällt diese Selbstironie etwas schwerer, weil für sie immer schon galt, dass sie ab einem gewissen Alter tunlichst aus der Öffentlichkeit verschwinden sollten. Taten sie es nicht, gab es ein Etikett für sie, das in früheren Jahrhunderten einem Todesurteil gleichkam: „Alte Hexe!“
Aus epd medien 7/23 vom 17. Februar 2023