epd Stolz und aufrecht verabschiedet sich Ellen Lucas, das passt. Die Regensburger, später dann Nürnberger Fernsehkommissarin bleibt konsequent und unbestechlich bis zum Schluss, hält dem Druck höherer Mächte stand und setzt ihre Karriere aufs Spiel. Aber erschossen wird sie nicht, auch wenn die Anfangsszene in der Schluss-Episode „Finale Entscheidung“ eine Konfrontation auf Leben und Tod verspricht. Einen solchen „schlappen Schluss“ hatte sich Darstellerin Ulrike Kriener ausdrücklich verbeten, wie sie im „Kölner Treff“ betonte.
Allerdings erlebt ihre eher verschlossene Figur, die in 20 Jahren nicht gerade durch ein aufregendes Liebesleben aufgefallen war, überraschende Turbulenzen im Privatleben. Traurig, dass sie enttäuscht wird, als sie sich doch noch einmal für eine spontane Affäre öffnet. Schön, dass der 35. und letzte Film in der ZDF-Reihe „Kommissarin Lucas“ mit einem zaghaften Kuss endet. Drehbuch-Autor Christian Jeltsch und Haus-Regisseur Thomas Berger, der insgesamt zwölf Episoden der Krimi-Reihe inszenierte, bereiten der Kommissarin mit der klaren Haltung und dem geraden Rücken einen würdigen Abgang.
Das lindert den Abschiedsschmerz, der doch ein bisschen größer ist als nach dem Ende irgendeiner anderen der nicht wenigen TV-Krimireihen. Das liegt zum einen natürlich an der wunderbaren Ulrike Kriener selbst, die sich die bisweilen schroffe Titelfigur derart glaubwürdig zu eigen gemacht hatte, dass Rolle und Darstellerin zu verschmelzen schienen. Dennoch musste die heute 68-Jährige nicht fürchten, auf ein Genre oder einen Rollen-Typus festgelegt zu sein. Seit dem Erfolg von Doris Dörries „Männer“ (1985) hat die vielseitige Kriener auch in zahlreichen Komödien mitgespielt, zuletzt in Karoline Herfurths Kinofilm „Einfach mal was Schönes“.
Zum anderen geht mit „Kommissarin Lucas“ auch ein Stück Fernsehgeschichte zu Ende. Insbesondere der Samstagskrimi im ZDF hatte seit Mitte der 1990er Jahre einige starke weibliche Ermittlerfiguren hervorgebracht, die dem männlich dominierten Genre ordentlich Beine machten. Nach Iris Berben („Rosa Roth“), Hannelore Hoger („Bella Block“) und Senta Berger („Unter Verdacht“) scheint Ulrike Krieners selbstbestimmter Abgang dieses Kapitel vorläufig zu beenden. Das Rollenmodell einer älteren, lebenserfahrenen und auch etwas kantigen Kommissarin scheint vorerst nicht mehr gefragt zu sein. Und ob Anna Loos („Helen Dorn“) oder Christina Hecke („In Wahrheit“) in diese Klasse vorstoßen können, bleibt zweifelhaft.
In der Reihe „Kommissarin Lucas“ spiegelten sich regelmäßig Konfliktthemen, was nicht zuletzt dank der Titelfigur und ihrer Darstellerin glaubwürdig gelang und selten belehrend wurde. Unvergessen auch der vor drei Jahren verstorbene Tilo Prückner, der in 30 Filmen den zumeist schimpfenden Vermieter von Ellen Lucas in Regensburg gab. Der bayerische Grantler Max Kirchhoff und die aus Köln zugezogene Kommissarin: Da prallten Welten aufeinander - heutzutage wird es gefühlt immer schwerer, so etwas überhaupt noch zu erzählen.
Anke Engelke gab ein paar Episoden lang die unzuverlässige Schwester, die die spröde Kommissarin etwas lebendiger wirken lassen sollte. Auch der Umzug nach Nürnberg wirkte wie der aus der Hüfte geschossene Versuch, neue Impulse zu setzen. Das hätte die Reihe nicht nötig gehabt. Es gab ja Ulrike Kriener und ihre Ellen Lucas, der zum Abschied Rainer Bock, Stefan Kurt und Bettina Lamprecht mit denkwürdigen Auftritten die Ehre erweisen. Schade, dass es nun vorbei ist.
Aus epd medien 43/23 vom 27. Oktober 2023