Apple TV plus? Nicht mal geschenkt!

epd Drei Monate umsonst! Das Angebot, Apple TV plus eine Weile für lau zu gucken, kam zusammen mit dem neuen iMac ins Haus. Na gut. Den Streaming-Dienst, der im Herbst 2019 mit einem sehr schmalen Angebot gestartet ist, gibt es nun schon so lange, dass zu hoffen stand, dass es dort inzwischen was zu gucken gibt.

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul? Wir tun es doch. Denn Apple TV plus nervt. Sogar umsonst. Nicht nur, weil das Angebot - verglichen mit den Wundertüten Netflix oder Amazon Prime - nach wie vor sehr überschaubar ist. Es wirkt auch merkwürdig steril. Doch dazu später.

Was die „Usability“ angeht, kann man sich nur wundern, dass ein Hersteller so kostspieliger Technik wie Apple sein „Teuer-aber-funktioniert“-Image für ein paar Streaming-Abos derart gefährdet. Zumindest gilt das, wenn man Apple TV plus über die App auf einem Samsung Smart-TV guckt.

Wie schwer kann es eigentlich sein, Vorschau-Bildchen so zu markieren, dass der Mensch mit der Fernbedienung in der Hand erkennen kann, wo er sich gerade befindet? Alle Streaming-Anbieter beherrschen das kleine Einmaleins des Screendesigns, selbst kleine Nischenanbieter mit technischen Macken wie der Arthouse-Streamer Mubi. Nur der riesige Apple-Konzern kann das nicht?

Bei Apple TV plus ist es immer ein bisschen Glückssache, ob nun der gewünschte Film startet oder ein anderer. Überspringen Sie bei Serien ab Folge zwei auch immer den Vorspann? Das können Sie sich bei diesem Anbieter sparen. Denn hier dauert es gefühlt mindestens genauso lang, den Vorspann anzugucken, wie die Software für das Überspringen und das Wiedereinfädeln an der richtigen Stelle braucht.

Ob sich die Apple-TV-plus-App gemerkt hat, wo man gerade war, wenn man den Film unterbricht, ist ebenfalls Glückssache. Zum Teil merkt sich die Software noch nicht einmal, welche Sendung man überhaupt zuletzt gesehen hat. Apple TV plus auf dem Samsung-Fernseher spottet so sehr jeder Beschreibung, dass man zur Verschwörungsgläubigen werden könnte: Boykottiert der koreanische Konkurrent im Premium-Handy-Geschäft die amerikanische Firma aus Cupertino, um ihren Ruf zu ruinieren?

Das angebotene Programm wirkt leblos, auf Hochglanz poliert und politically correct. Als habe ein Manager im Konzern eine Künstliche Intelligenz gefragt, was für Serien man denn, bitteschön, mal produzieren könnte. Zielgruppe Weltmarkt, Schwerpunkt USA. Und die KI hat geantwortet: „Mensch, lass uns Sachen mit Menschen machen, die unter der Erde wohnen ('Silo'). Oder die Chips im Hirn haben, so dass sie bei der Arbeit vergessen, wer sie sind ('Severance'). Achte dabei darauf, jede dieser Serien ganz, ganz langsam zu erzählen und mit möglichst vielen Folgen künstlich in die Länge zu ziehen, das spart viel Geld. Und lass uns ein paar Schauspielstars aus Hollywood Drehbuch schreiben, Regie führen oder produzieren, das finden die toll und du kannst dich mit Namen wie Tom Hanks oder Ben Stiller schmücken.“

Im Kalender habe ich eine Notiz, bis wann ich kündigen muss. Wahrscheinlich mache ich es schon früher, damit ich es nicht vergesse. Für mich gibt es da wenig zu sehen und verglichen mit der Konkurrenz ist der Preis von 6,99 Euro im Monat ein Witz. Während ich das schreibe, kommt ein neues Angebot auf das iPhone: Apple Music umsonst für sechs Monate, danach 10,99 Euro! Nein danke, nach den Streaming-Erfahrungen mit Apple TV plus nicht mal geschenkt! Und Spotify kostet mich weniger.

Aus epd medien 37/23 vom 15. September 2023

Andrea Kaiser