Schlicht und klamaukig

VOR-SICHT: „Miss Merkel - Ein Uckermark-Krimi“, Fernsehfilm nach einer Romanvorlage von David Safier, Regie: Christoph Schnee, Buch: Stefan Cantz, Kamera: Sonja Rom, Produktion: Letterbox Filmproduktion (RTL, 21.3.23, 20.15-22.15 Uhr, seit 14.3.23 bei RTL+)

epd Was haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Agatha Christies Romanfigur Miss Marple gemeinsam? Beide haben einen Nachnamen, der mit „M“ beginnt und sechs Buchstaben hat. War's das? Fast. Immerhin eine Gemeinsamkeit mit etwas mehr Substanz gibt es: Beide wurden häufig unterschätzt. Was sie jeweils zu ihrem Vorteil zu nutzen wussten. Das dürfte es dann aber auch gewesen sein mit den - mühsam gesuchten - Parallelen.

Anders als die englische Provinzseniorin, die zu einer Zeit erdacht wurde, zu der Frauen oft keinen Beruf und gesellschaftlich nicht viel zu melden hatten (der erste Roman erschien 1930), hatte die Physikerin Merkel als mächtige Regierungschefin nicht - wie einst das bürgerliche „Fräulein“ Marple - an Langeweile, geistiger Unterforderung und Machtlosigkeit zu leiden. Folglich dürfte sie im Ruhestand schwerlich nach einer so „aufregenden“ Beschäftigung wie Hobbdetektivin lechzen, in der sie es der Polizei mal zeigen kann. Und ihre Chancen stehen auch sonst gering, als „liebenswert-schrullige alte Jungfer“ (Charakterisierung: Wikipedia) der Miss-Marple-Filme zu enden. Schon weil sie zweimal verheiratet war.

Männer kommen trotzdem auf solche Ideen. Es fiel ihnen ein, die mächtigste Frau der Welt „Mutti“ zu nennen. Was abschätzig gemeint war. Und dem Drehbuchschreiber („Berlin, Berlin“) und Easy-Reading-Autor („Mieses Karma“, „Traumprinz“) David Safier fiel ein, die Ex-Kanzlerin in zwei Kriminalromanen als schrullige Alte zu zeichnen, die - in provinzieller Bedeutungslosigkeit versackt - gerne Detektivin spielt. Was wohl witzig gemeint war.

In der Eröffnungsszene pinkelt die hier zur Miss diminuierte Frau Merkel in den Wald und bezeichnet dies gegenüber ihrem Gatten (Thorsten Merten als Joachim-Sauer-Klischee) als „Freiheit“. Noch bevor es losgeht, würde man daher ganz gern abschalten. Es folgt ein recht klamaukiger und sehr schlichter, von Miss-Marple-Geschichten inspirierter Kriminalplot, in der Miss Merkel viele ebenso schlichte, meist bemüht wirkende Analogien zu ihrer Vergangenheit in der Politik herstellt.

Wenn sie Laientheater zusehen muss, sagt sie beispielsweise: „Wer eine sechsstündige Pekingoper mit Xi Jinping durchgestanden hat, schafft das hier auch noch.“ Und wenn es süßlich riecht, erinnert sie das an das Rasierwasser des Papstes. Aha. Vermutlich liest sich der ein oder andere Vergleich in Safiers Büchern sogar lustig, wenn die Pointe gut gesetzt ist. Im TV-Film von Stefan Cantz (Buch) und Christoph Schnee (Regie) funktioniert das nicht gut.

Die Hauptrolle spielt eine aufgekratzte Katharina Thalbach mit Merkel-Frisur, Merkel-Jacke (in der sie manchmal fast versackt) und Merkel-Halskette. Dabei hat die Schauspielerin eigentlich so gar nichts von der Kanzlerin an sich. Merkels Stimme hat weder gequiekt noch klang sie heiser. Merkel hatte eine stabile Statur, Thalbach ist klein und vom Typ her zierlich. Thalbach wirkt chronisch nervös und angespannt, Merkel noch im größten Stress gelassen.

Thalbach hatte im Guttenberg-Film „Der Minister“ als „Frau Murkel“ die Zuschauer erheitert (epd 12/13) und bewiesen, dass eine gute Schauspielerin jede(n) spielen und alles glaubhaft machen kann. Diesmal gelingt es Thalbach nicht, eine Figur zu schaffen, die einen die real existierenden Unterschiede zwischen den Menschen Merkel und Thalbach hätte vergessen lassen. Vermutlich enthält Safiers Merkel-Marple-Idee einfach zu wenige Körnchen „Wahrheit“, um mit noch so großem Talent viel daraus machen zu können.

Aus epd medien 11/23 vom 17. März 2023

Andrea Kaiser