VOR-SICHT: „Drift - Partners in Crime“, fünfteilige Krimiserie, Regie: Tim Trachte, Buch: Andreas Brune, Sven Frauenhoff, Markus M. Pajtler, Oskar Sulowski, Daniela Baumgärtl, Kamera: Fabian Rösler, Produktion: Action Concept (Sky, ab dem 24.2.23)
epd Die Verfolgungsjagd unter südlicher Sonne endet mit einer lebensgefährlichen Rettungsaktion und einer krachenden Karambolage, die Bilder sind mit rockiger Musik unterlegt, Schüsse sind auch gefallen: Die erste Szene wirkt, als hätten die „Cobra 11“-Macher für RTL einen Ausflug nach Mallorca gemacht. Ganz falsch ist der Eindruck nicht, die fünfteilige Serie ist in der Tat eine Produktion von Action Concept, aber der Prolog spielt in Griechenland und entstanden ist „Drift“ für Sky. Richtig ist allerdings die Vermutung, dass jetzt erst mal eine ausführliche Rückblende folgen wird, die erklärt, warum zwei deutsche Brüder auf dem Peloponnes in einem knallgelben griechischen Taxi vor mordlustigen Killern fliehen.
Mit der entsprechenden Einblendung („6 Tage zuvor“) enden die Klischees jedoch, denn nun entfaltet sich eine Handlung, die mit zunehmender Dauer immer rätselhafter wird. Nach der Einführung des Helden, erst beim Training und dann beim Bürosex mit seiner Freundin, kommt das Drehbuch zur Sache: Der Münchener Polizist Alois „Ali“ Zeller (Ken Duken) und seine Kollegin Frida (Angelina Häntsch) sollen einen Gefangenen überführen. Was wie ein Routineauftrag klingt, mündet in ein Spektakel, das selbst für eine Produktion von Action Concept ein ungewöhnliches Ausmaß annimmt: Als Komplizen den Mann befreien wollen, kommt es auf einer Autobahnbrücke zu einem Unfall, in den auch ein Tanklaster involviert ist. Ali krabbelt aus seinem auf dem Dach liegenden Fahrzeug, sieht, dass der Lkw in Flammen steht und koppelt den Aufhänger ab, der daraufhin in die Tiefe stürzt. Die Explosion beschädigt einen Pfeiler, die Brücke stürzt ein, fünf Menschen sterben, zwei Dutzend weitere werden verletzt. Der Polizist muss mit einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung rechnen.
Vermutlich waren schon diese packenden fünf Minuten so teuer wie die komplette Folge einer Vorabendserie. Natürlich drängt sich die Frage auf, wie die Geschichte weitergehen soll, schließlich lässt sich der optische Aufwand kaum noch steigern. Clever wechselt das Drehbuch daher Ausrichtung und Tonfall: Mit dem Auftauchen von Leo Zeller (Fabian Busch) wandelt sich „Drift“ zum Familiendrama, denn das Verhältnis der beiden Männer ist belastet, seit ihr Vater einst bei einer Rallye ums Leben kam. Spätestens während der Querfeldeinverfolgungsjagd in Griechenland, wo die Brüder mehr oder weniger unfreiwillig in einen scheinbar ganz anderen Fall hineingeraten, wird auch klar, warum der Tod des Vaters mehrfach in Rückblenden zu sehen ist.
Früher ist Fabian Busch in solchen Konstellationen gern als lustiger Sidekick besetzt worden, etwa in „Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“ von RTL, und tatsächlich tragen seine Pointen maßgeblich zum gelungenen Mix aus An- und Entspannung bei, doch Leo kann auch anders. Er ist im Gegensatz zu Ali, der regelmäßig bei Martial-Arts-Käfigkämpfen mitwirkt, zwar eher ein Schreibtischtyp, aber ebenfalls Polizist, beim Landeskriminalamt Sachsen. Gemeinsam kommen die beiden einer Verschwörung auf die Spur, die das Potenzial hat, die Demokratie zu zerstören.
So hoch hängen die fünf Autoren die Geschichte dann zwar doch nicht, aber das ist aus Sicht der Brüder erst mal nebensächlich. Die mächtige Gegenseite duldet keine Zeugen und hat zudem alle Aussagen, die Ali entlasten würden, verschwinden lassen. Außerdem ist sie offenbar über jeden Schritt des Duos informiert, es muss daher einen Maulwurf in Alis Abteilung geben. Am Ende stehen auch die Brüder auf der Abschussliste.
Die optisch hochwertige Serie (Kamera: Fabian Rösler) hat diverse Actionszenen zu bieten, aber die Handlung wird zunehmend komplexer. Die Rollen von Jägern und Gejagten wechseln ständig bis hin zum Finale im verschneiten Allgäu. Regie führte Tim Trachte, der zuletzt für Netflix die Serie „Biohackers“ gedreht hat.
„Drift - Partners in Crime“ würde auch ohne die Auto- und Prügelszenen funktionieren. Es ist kaum plausibel, dass Ali nicht nur die Unfälle, sondern auch die gut choreografierten Schlägereien meist nur mit Kratzern übersteht. Ken Duken, Freizeit-Kampfsportler, darf einige Male demonstrieren, dass er mit Anfang 40 noch prima in Schuss ist, aber für beide Hauptdarsteller wird der eigentliche Reiz im spannungsgeladenen Brüderkonzept gelegen haben. Die Konstellation geht deutlich über das „Body & Brain“-Klischee hinaus, selbst wenn Ali zu Beginn ein „Fix & Foxi“-T-Shirt trägt.
Frauen spielen in dieser Gemengelage nur Nebenrollen, sie sind aber für die Entwicklung der Handlung unverzichtbar, allen voran Alis Freundin: Anwältin Maryam soll für ihre Kanzlei im Namen der Angehörigen eine Sammelklage gegen den vermeintlichen „Brückenbomber“ vorbereiten. Es gibt nur einen Ausweg aus diesem Interessenkonflikt, und der liefert eine geschickte Vorlage für die zweite Staffel. Die selbstbewusste Juristin ist eine tolle Rolle für Mona Pirzad, zumindest den zentralen Ensemblemitgliedern bieten die Drehbücher gutes Spielmaterial.
Aus epd medien 7/23 vom 17. Februar 2023