Das neue ukrainische Mediengesetz soll am 31. März in Kraft treten. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj hatte es Ende Dezember in Kiew unterschrieben, nachdem die Beschlussfassung im Parlament in zweiter Lesung erfolgt war. Das Gesetz stärkt die Befugnisse des Nationalen Fernseh- und Hörfunkrats der Ukraine und dehnt sie auf Online- und Print-Medien aus.
Für das Gesetz, das in erster Lesung im August beraten worden war (epd 37/22), stimmten 299 der 331 anwesenden Abgeordneten. Davon gehörten 195 zur liberalen Regierungspartei „Diener des Volkes“ von Selenskyj, die über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt. Der Staatspräsident hatte die Ausarbeitung eines neuen Mediengesetzes bereits nach seinem Amtsantritt 2019 in Auftrag gegeben.
Der Nationale Fernseh- und Hörfunkrat der Ukraine ist eine in der Verfassung garantierte Institution. Er besteht aus acht Mitgliedern. Vier werden vom Staatspräsidenten ernannt und vier vom Parlament gewählt. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde dient das neue Gesetz der „Harmonisierung der ukrainischen Rundfunkgesetzgebung mit der europäischen“. Dies sei eine der sieben Anforderungen an die Ukraine im Zusammenhang mit der Erlangung des Status eines Beitrittskandidaten für die Europäische Union, erklärte der Rat. Das Gesetz sei unter Berücksichtigung der Anforderungen der EU-Mediendienste-Richtlinie und der Standards des Europarates entwickelt worden.
Olha Gerasimyuk, die Vorsitzende des Nationalen Fernseh- und Hörfunkrats, und andere Mitglieder des Gremiums unterstützten deshalb die Gesetzesinitiative. Das neue Mediengesetz solle „gleiche Möglichkeiten und Bedingungen für die Aktivitäten aller Arten von Medien auf dem Markt“ schaffen, hieß es. Es solle „das neue Niveau der technologischen Entwicklung auf dem Gebiet der Medien berücksichtigen, die Befugnisse der Aufsicht über die Aktivitäten verschiedener Typen von Medien bei einer Regulierungsbehörde kombinieren und den Schutz des Informationsfeldes des Landes stärken“.
Kritik von Journalistenverbänden
Nach Meinung von Kritikern des Gesetzes könnte dieses aber auch der Beschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine dienen. Am 17. Januar wandten sich der Internationale Journalistenverband IFJ und der Europäische Journalistenverband EFJ mit einem Aufruf an die EU-Kommission und den Europarat, die ukrainischen Behörden zu überzeugen, das Gesetz in Beratung mit den Journalistenorganisationen und den Medien zu überarbeiten. Sie kritisieren verschiedene problematische Gesetzesbestimmungen, etwa die politische Abhängigkeit der Regulierungsbehörde und die Erweiterung des Spektrums von außergerichtlichen Sanktionen gegen die Medien.
„Wir begrüßen die Umsetzung der Audiovisuellen Direktive der EU im neuen Gesetz“, erklärte Sergiy Tomilenko, der Präsident des ukrainischen Journalistenverbandes Nuju. Allerdings müssten die Behörden einen breiten Dialog mit den Journalisten und dem Mediensektor führen, wenn neue Regeln eingeführt werden. „In der Vergangenheit waren ukrainische Journalisten immer die Triebkraft hinter neuen Mediengesetzen, da sie sie als Werkzeug zum Schutz von Meinungsfreiheit und des Berufs sahen. Heute sehen wir keine aktiven Unterstützer des Gesetzes unter den Journalisten“, so Tomilenko. „Es ist eher ein Gesetz, das der Stärkung der staatlichen Medienregulierung dient.“
„Vereinigte Nachrichten“
„Eine Regulierungsbehörde mit so einer Sanktionsgewalt, sogar ohne ein Gericht zu benötigen, kann nicht unter der vollständigen Kontrolle der Regierung sein“, kritisierte EFJ-Präsidentin Maja Sever. „Die Journalistenverbände wurden bei der letzten Fassung des Gesetzes nicht konsultiert.“ Bereits Ende Juli 2022 hatte auch das New Yorker „Komitee zum Schutz der Journalisten“ (CPJ) eine Revision des geplanten Gesetzes gefordert. Es begrenze die Pressefreiheit in der Ukraine und bewege sie von den Pressestandards der Europäischen Union weg, erklärte das CPJ.
Seit März 2022 verfolgt die Ukraine unter Führung von Staatspräsident Selenskyj eine „vereinheitlichte Informationspolitik unter den Bedingungen des Kriegsrechts“. Kern dieser Informationspolitik, mit der auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert wurde, ist der Zusammenschluss der wichtigsten nationalen Fernsehkanäle in einer Plattform unter dem Titel „Vereinigte Nachrichten“ (epd 13, 32/22).
Aus epd medien 5/23 vom 3. Februar 2023