Rund zwei Jahre nach seiner spektakulären Festnahme ist der regierungskritische belarussische Blogger Roman Protassewitsch zu acht Jahren Straflager verurteilt worden. Ein Minsker Gericht befand den 28-Jährigen der Organisation von Massenunruhen, des öffentlichen Aufrufs zu terroristischen Handlungen, der Leitung einer extremistischen Vereinigung, der Verleumdung und Beleidigung des Präsidenten sowie anderer Straftaten für schuldig, wie die staatliche belarussische Nachrichtenagentur Belta am 3. Mai berichtete.
Sein Eigentum, darunter ein Stativ, Kopfhörer und Objektive, blieben beschlagnahmt. Protassewitsch wurde zusammen mit den weiteren Angeklagten Stepan Putilo und Jan Rudik vorgeworfen, seit 2020 einen Plan umgesetzt zu haben, der zum Ziel hatte, mit verfassungswidrigen Mitteln die Macht in Belarus zu ergreifen. Das Gericht verurteilte Putilo nach Angaben von Belta zu 20 Jahren und Rudik zu 19 Jahren Straflager. Laut Anklage veröffentlichten die Männer in als extremistisch eingestuften Telegramkanälen destruktive Informationen. Überdies hätten sie protestierende Bürger zu terroristischen Handlungen ermutigt.
Die deutsche Bundesregierung kritisierte die Gerichtsentscheidung. Das Urteil sei „ein weiteres Beispiel für das rücksichtslose Vorgehen der Machthaber in Belarus gegen demokratische Kräfte und unabhängige Medien“, erklärte das Auswärtige Amt am 3. Mai auf Twitter. Die mittlerweile mehr als 1.400 politischen Gefangenen in dem Land müssten freigelassen werden.
Protassewitsch war am 23. Mai 2021 nach einer erzwungenen Notlandung einer Ryanair-Maschine in Minsk zusammen mit seiner Partnerin Sofia Sapega von belarussischen Behörden festgenommen worden (epd 21/21). Das Flugzeug befand sich auf dem Weg von Athen nach Vilnius und wurde unter dem fingierten Grund einer Bombendrohung nach Belarus umgeleitet und in Begleitung eines Kampfjets zur Landung gezwungen. Protassewitsch saß seitdem in Hausarrest, Sapega wurde im Mai 2022 zu sechs Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt.
Auf dem von ihm mitgegründeten Telegram-Kanal Nexta hatte Protassewitsch nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (RSF) über Demonstrationen, Verhaftungen und Gewalt gegen Regimekritikerinnen und -kritiker berichtet. Er lebte im Exil in Litauen. Das Regime führte ihn vor seiner Festnahme auf einer Liste, die Oppositionelle als extremistisch und terroristisch einstuft.
International gilt Protassewitsch als politischer Gefanger, das Vorgehen des belarussischen Regimes unter Machthaber Alexander Lukaschenko löste scharfe Kritik aus. Auch RSF forderte immer wieder die Freilassung des Bloggers. Auf Twitter wies die Organisation am 3. Mai darauf hin, dass Protassewitsch „ausgerechnet am Tag der Pressefreiheit“ verurteilt worden sei.
Aus epd medien 19/23 vom 12. Mai 2023