Die „New York Times“ (NYT) untersagt es, den Inhalt ihrer Webseite für die Entwicklung von Softwareprogrammen zu verwenden. Dies gelte auch, aber nicht ausschließlich, für das Training von Systemen mit Künstlicher Intelligenz (KI) oder des maschinellen Lernens, wie aus den Anfang August aktualisierten Nutzungsbedingungen der NYT-Webseite hervorgeht. Bei Verstößen können den Angaben zufolge rechtliche Konsequenzen folgen.
Mehrere Medien hatten über diesen Paragrafen berichtet. Ein Sprecher der NYT sagte dazu am 24. August dem epd: „Die Nutzungsbedingungen der 'New York Times', die regelmäßig aktualisiert werden, haben schon immer das Scraping unserer Inhalte für die KI-Schulung und -Entwicklung verboten. Die jüngsten Änderungen dienten zum Teil schlicht dazu, dieses Verbot noch deutlicher zu machen.“
Weiteren Medienberichten zufolge prüft das US-Medienhaus derzeit die Möglichkeit einer Klage gegen OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT. Schon „seit Wochen“ befänden sich die „New York Times“ und OpenAI in angespannten Verhandlungen, berichtete NPR am 16. August. Dabei gehe es um ein Lizenzabkommen, demzufolge OpenAI für die Nutzung von „Times“-Inhalten zahlen soll. Die Diskussionen würden aber so heftig geführt, dass die NYT nun über rechtliche Schritte nachdenke, heißt es bei NPR unter Berufung auf zwei anonyme Quellen, die mit der Sache vertraut sein sollen.
Eine der größten Sorgen der NYT sei es, dass ChatGPT ein direkter Konkurrent werden könnte, indem es die Fragen von Usern mit generiertem Text beantwortet, der auf der journalistischen Arbeit von „Times“-Redakteuren beruht. Die Angst habe sich dadurch verstärkt, dass Tech-Unternehmen wie Microsoft KI-Werkzeuge in ihre Suchmaschinen einbauen. Microsoft hatte Anfang des Jahres verkündet, das Unternehmen werde 10 Milliarden US-Dollar in OpenAI investieren. Die „New York Times“ wollte sich zu den angeblichen Überlegungen bezüglich einer möglichen Klage nicht äußern.
Laut dem Bericht von NPR verbietet das Bundesgesetz zum Urheberrecht die rechtsverletzende Nutzung von Artikeln zum Training von KI. Ein Gericht könnte das Unternehmen anweisen, „den Datensatz von ChatGPT zu vernichten“ und OpenAI damit zwingen - dann mit für die Verwendung autorisierten Artikeln - von vorne anzufangen. Das Gesetz zum Urheberrecht sehe Geldstrafen von bis zu 150.000 US-Dollar je vorsätzlich begangenem Verstoß vor.
Einem Bericht der Nachrichten-Website „Semafor“ vom 14. August zufolge hat sich die „New York Times“ dagegen entschieden, sich einer Gruppe von Medienunternehmen anzuschließen, die gemeinsam mit Tech-Unternehmen über die Nutzung von Inhalten für das Training von KIs verhandeln will. Barry Diller, Vorsitzender des Medienkonzerns IAC (unter anderem „InStyle“, „People“, „Daily Beast“) soll im April gesagt haben, dass Verleger Tech-Unternehmen verklagen sollten, die ihre KI-Dienste mit Inhalten von Medienunternehmen trainiert haben. In die Diskussionen soll laut „Semafor“ auch die Axel Springer SE eingebunden gewesen sein.
Adib Sisani, Senior Vice President und Global Head of Communications bei Axel Springer, wollte dem epd nicht bestätigen, ob solche Gespräche tatsächlich stattgefunden haben und ob der Konzern daran beteiligt war. Er sagte jedoch: „Wir brauchen einen fairen Anteil an den zukünftigen Einnahmen für diejenigen, die die Inhalte schaffen. Wenn es keinen Anreiz gibt, geistiges Eigentum zu schaffen, gibt es auch nichts zu crawlen.“. Medienorganisationen und politische Entscheidungsträger hätten das Ausmaß der Herausforderung „viel schneller begriffen als zu Zeiten der Entstehung von Online-Plattformen und Suchmaschinen.“ Eine sehr schnelle und transparente Lösung liege im Interesse aller Beteiligten. „Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, und wir sind optimistisch, dass wir erfolgreich sein werden“, sagte Sisani.
Über die Gründung einer Medien-Koalition hatte auch das „Wall Street Journal“ Ende Juni berichtet. Demnach sollen neben dessen Mutterunternehmen News Corp auch Vox Media und Advance an entsprechenden Gesprächen beteiligt gewesen sein. Zu Advance gehört unter anderem Condé Nast, das Marken wie „Glamour“, „The New Yorker“ und „Vanity Fair“ unter einem Dach vereint. Vox Media ist die Dachfirma von „New York“, „Intelligencer“, „Vulture“, „Polygon“ und anderen.
Wie die „New York Times“ im Juli berichtete, hat sich die Comedienne Sarah Silverman je einer Sammelklage gegen OpenAI und den Facebook-Konzern Meta angeschlossen. Beiden Unternehmen wird Urheberrechtsverletzung vorgeworfen. Silvermans Buch „The Bedwetter“ sei ohne Erlaubnis aus Online-„Schattenbibliotheken“ für das Training von KI-Systemen ausgelesen worden.
Aus epd medien 35/23 vom 1. September 2023