Der öffentlich-rechtliche Irische Rundfunk RTE wird von einem Skandal heimgesucht: Die scheidende RTE-Intendantin Dee Forbes trat Ende Juni und damit bereits vor Ende ihrer Amtszeit am 10. Juli zurück, nachdem bekannt wurde, dass der RTE-Moderator Ryan Tubridy zwischen 2017 und 2022 gut 345.000 Euro mehr erhalten hatte als offiziell von RTE mitgeteilt.
Im März hatte eine Routineprüfung der RTE-Buchhaltung die tatsächlichen Zahlungen für Tubridy festgestellt. Der 50-jährige Journalist moderierte von 2009 bis 2023 die „Late Late Show“ und ist einer der bekanntesten und bestbezahlten Rundfunkmoderatoren Irlands. Die Sendung ist die zweitälteste TV-Late Night-Talkshow der Welt, nach der US-amerikanischen „Tonight Show“, und wird seit 1962 von RTE ausgestrahlt. Sie gehört zu den populärsten Fernsehsendungen Irlands. Außerdem moderierte Tubridy auch die „Ryan Tubridy-Show“ auf RTE Radio 1.
Anfang Juli gab Catherine Martin, die irische Ministerin für Kultur, Sport und Medien (Grüne), eine unabhängige und grundlegende Untersuchung zu RTE bekannt. Dabei soll es sich um zwei parallele Prüfungen handeln, eine beschäftigt sich mit Governance und Kultur und die andere mit Gebühren und Personal. Die Prüfungen sollen von zwei unterschiedlichen Expertengremien aus je drei Mitgliedern geleitet werden, ein Team des Ministeriums wird unterstützend tätig sein.
Martin sagte, das Vertrauen in den Rundfunk sei zerstört worden. RTE habe stets „einen öffentlichen Raum für die Bevölkerung Irlands bereitgestellt, miteinander und übereinander zu sprechen“. Die Sendeanstalt habe der irischen Gesellschaft „einen Spiegel vom Feinsten vorgehalten, einen Spiegel, der nicht nur das Beste in unserer Gesellschaft gezeigt hat, sondern der auch ihre Ungerechtigkeiten enthüllt hat“.
Am 7. Juli empfing Martin den im April neu gewählten RTE-Intendanten Kevin Bakhurst (epd 22/23) und die Vorsitzende des RTE-Aufsichtsrats, Siun Ni Raghallaigh, um mit ihnen zu diskutieren, wie RTE kooperieren und den Abschluss der Prüfung erleichtern könne. Erste Amtshandlung des neuen Intendanten bei seinem Amtsantritt am 10. Juli war die Entlassung der bisherigen RTE-Leitung und die Einsetzung einer neuen Interimsführung. Er wolle ein „sichtbarer und nahbarer Intendant“ sein, teilte Bakhurst in einer Botschaft an die Mitarbeiter mit.
Veränderungen seien wesentlich, wenn das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Irland wieder hergestellt werden soll, so Bakhurst. RTE solle eine Organisation sein, die eng mit den Mitarbeitern zusammenarbeite, zuhöre, transparent sei und sich streng an die überarbeiteten und strikten Leitungsprozesse halte. „Das wird Zeit brauchen, aber es wird geschehen. Es muss. Er steht zu viel auf dem Spiel“, schloss Bakhurst seine Botschaft.
Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar von der christlich-demokratischen Partei Fine Gael (FG) kritisierte die Situation von RTE und erklärte, dass das Vertrauen nur durch Veränderungen wiederhergestellt werden könne. RTE müsse „volle Transparenz“ bei den Finanzen herstellen, forderte er. Der stellvertretende Ministerpräsident Micheal Martin von der nationalliberalen Partei Fianna Fail (FF) verwies auf die Vorbildwirkung von RTE für andere öffentliche Unternehmen. RTE müsse bei Gleichheit und Inklusion an der Spitze stehen, sagte er.
In der Republik Irland regiert seit 2020 erstmals eine Koalition der Parteien FF und FG sowie der Grünen unter den Ministerpräsidenten Micheal Martin (2020-2022) und Leo Varadkar (seit 2022) im Wechsel. Fianna Fail und Fine Gael standen sich nach dem irischen Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien (1919-1921) und dem anschließenden irischen Bürgerkrieg (1922-1923) fast 100 Jahre lang feindlich gegenüber.
Seamus Dooley, Sekretär des Nationalen Journalistenverbandes in Irland, äußerte die Hoffnung, dass die Aktivitäten Bakhursts „den Beginn eines neuen Anfangs für eine Organisation darstellen, die eine Anzahl von Jahren ohne Führung gewesen“ sei. Der durch Rundfunkgebühren und Werbung finanzierte Irische Rundfunk wurde 1926 gegründet. Er veranstaltet je vier nationale Hörfunk- und Fernseh-Kanäle. Im April 2023 erreichte er beim Fernsehen einen Marktanteil von 25,4 Prozent. Davon entfielen auf RTE One 19,0 Prozent und auf RTE 2 6,2 Prozent. RTE Radio erreichte 2022 einen Hörfunk-Marktanteil von 28,3 Prozent.
Aus epd medien 30/23 vom 28. Juli 2023